Buchbesprechung: Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

Eine gemütliche Wolke zieht vorüber

In dem Buch »Die Tage in der Buchhandlung Morisaki« von Yagisawa Satoshi (* 1977) geht es vordergründig um die junge Frau Takako, die im Antiquariat der Frühmoderne ihres Onkels wieder zu sich selbst findet.

Das Buch ist schön zu lesen. Die Sätze sind einfach gebaut und leicht verständlich. Der Geschichte lässt sich einfach folgen und im ganzen Buch gibt es eigentlich keine Szenen, vor die man ein Warnschild hängen müsste. Das ist zugleich schön aber andererseits auch wieder ein wenig oberflächlich. Wie andere Rezensenten hätte ich mir an einigen Stellen etwas mehr Tiefgang gewünscht. Aber ist es so, dass das Buch so wenig Tiefgang hat? Oder verstehen wir die Anspielungen und literarischen Beziehungen im Buch einfach nicht gut genug? Das Buch ist ein Ich-Roman, aus der Perspektive der jungen Frau Takako geschrieben, aber wissen wir, dass es in Japan viele viele verschiedene Arten gibt, Ich zu sagen? 

Das Buch schildert die Metamorphose, die Takako durchmacht, und lässt eine Person dies auch so sagen,  »Sie haben sich so harmonisch ins Bild gefügt, dass ich mich am liebsten nicht mehr von der Stelle gerührt hätte. Kennen Sie das? Mit angehaltenem Atem darauf zu warten, dass sich eine Raupein einen Schmetterling verwandelt? Dieses Gefühl, dieses Bild hat sich mir förmlich eingebrannt.« Und was schrieb der literarische Urvater der Metamorphose dazu? Goethe übertrug das Prinzip der pflanzlichen Metamorphose auf die Fauna, die Raupe und den Schmetterling, und geht noch weiter, denn er stellte die These auf, dass der Mensch seine Metamorphose verantwortlich gestalten kann. Die Frage, die sich mir jetzt, ungefähr 30 Tage, nach dem ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, aber stellt ist, nimmt Takako ihr Leben wirklich selbst in die Hand? Oder ziehen die Ereignisse nicht ebenso an ihr vorbei, wie die Figur und die ganze Geschichte wie eine gemütliche Wolke selbst an uns vorüberziehen?

In eigener Sache

Die fehlenden oder falschen japanischen Umlaute auf der Seite bitte ich zu entschuldigen. Zur Zeit lässt die Datenbank keine solchen zu.

Inhaltsverzeichnis

  • [1] - Der Himmel war blau
  • [2] - Es geht um Bücher, oder?
  • [3] - Handlung
  • [4] - Was macht eine gemütliche Wolke aus?
  • [5] - Die Bücher liegen im Dunkeln
  • [6] - Die japanische Frühmoderne
  • [7] - Rezensionen
Himmel, Chaumant-sur-Loire, 19. September 2024, 14:38 Uhr.
Himmel, Chaumant-sur-Loire, 19. September 2024, 14:38 Uhr.

Die Anmut oder Schönheit der Verhältnisse ist das Ideale; es entspricht dem Helldunkel der Malerei (obschon es ganz von ihm verschieden ist) und der Harmonie in der Musik.

Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, Philosophie der Kunst, 1859 [1]
Harmonie und Nostalgie

Der Himmel war blau

Satoshi Yagisawa

Satoshi Yagisawa wurde 1977 im japanischen Chiba geboren. Er studierte an der Nihon University in Tokio. _Die Tage in der Buchhandlung Morisaki_ ist sein Debüt, wurde mit dem Chiyoda Literature Prize ausgezeichnet und wurde zu einem internationalen Bestseller. Der Roman wurde von Asako Hyuga verfilmt.

Buchseite des Suhrkamp-Verlages

Nicht, dass das Buch so endet, aber vordergründig fühlt es sich so an: »Der Himmel war blau. Gemütlich zog eine Wolke darüber hinweg.«   Es scheint ein, auf den ersten Blick, gemütliches Buch zu sein. Harmonisch. So wie sich die Protagonistin in die Kulisse der Buchhandlung einfügt: Auf Bluesky wurde es mir empfohlen, tatsächlich gaben Thema und das wunderschön von Elisa Menini illustrierte Cover den Ausschlag. Bücher mit Buchläden als Thema üben eine heftige Anziehungskraft auf mich aus, in Buchhandlungen entsponnen sich vor meinem inneren Auge schon breite Horizonte und spannende, ja teils unendliche Geschichten, ob von Michael Ende (Nomen est Omen: Die unendliche Geschichte) oder von Robin Sloan (Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra). Das Cover finde ich eingängig und sympathisch illustriert, auch wenn das im Buch zitierte Tokioter Buchhandelsviertel Jinbocho sich viel größer und moderner gibt, als es der romantisch anmutende Laden auf dem Cover es vermuten lässt.

Zu dem gemütlichen Eindruck tragen in meinen Augen neben der Geschichte ganz besonders das Cover, aber auch Format und Typografie bei.

Autor: Yagisawa Satoshi
Titel: Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
189 Seiten, Gebunden, ohne Schutzumschlag
Umschlagsillustration: Elisa Menini 
Format: 214 mm Höhe x 132 mm Breite
Satzspiegel: 150 mm Höhe x 85 mm Breite, 
26 Zeilen, ~ 49 Zeichen Zeile
Gesetzt in Garamond, 12 pt

Wenn ich das Buch mit meinen kleinen Manesses vergleiche, ist das hier in der deutschen Übersetzung vorliegende – in Japan mehr als 100.000 Mal verkaufte – Buch sehr gut und mit der großen Schrift auch leicht und ohne Anstrengung zu lesen. Mit der erstmaligen Lektüre verbrachte ich einen schönen Abend.

Achtung: Spoiler. Ich verrate auch Details der Handlung. Links zu anderen Rezensionen findet Ihr am Ende des Beitrags.

Japanischer Bücherladen
Japanischer Bücherladen

Alles ist ein Rätsel, und der Schlüssel zum Rätsel ist ein weiteres Rätsel.

Ralph Waldo Emerson, Tagebücher, geschrieben ca. 1859 - 1861 [2]
Handlung

Es geht um Bücher, oder?

Lob des Schattens

Lob des Schattens – Entwurf einer japanischen Ästhetik (jap. In’ei Raisan) ist ein langer Essay von Tanizaki Jun’ichiro. Er wurde 1933 in der Zeitschrift Keizai ?rai veröffentlicht. Der lange Essay (zuihitsu) besteht aus 16 Abschnitten. An der Überschrift lässt sich meist der inhaltliche Schwerpunkt des Abschnittes ablesen. Die Unterschrift Entwurf einer japanischen Ästhetik in der deutschen Fassung ist insofern irreführend, als es sich nicht um eine systematische Abhandlung zur Ästhetik handelt, wie sie in Deutschland von Baumgarten als philosophische Teildisziplin begründet wurde. Es handelt sich vielmehr um ein erzählerisches Werk, in dem Tanizaki seine ästhetizistische Vorstellung von Schönheit an Einzelbeispielen exemplifiziert. Der Essay ist literaturgeschichtlich bedeutsam, weil er die zentrale Position des japanischen Ästhetizismus, als eine von mehreren antinaturalistischen Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts widerspiegelt.

Lob des Schattens

Vordergründig geht es im Buch um eine Buchhandlung, es wird auch über Bücher geredet und geschrieben, bis auf eine oder zwei Ausnahmen erfahren wir über die genannten Autoren oder erwähnten Bücher (Titel sind eine große Ausnahme) bedauerlicherweise wenig bis nichts. Die Handlung ist schnell erzählt: Die junge Takako verliert auf drastische Weise ihren Freund, da ihr dieser mitteilt, er beabsichtige zu heiraten, aber nicht sie. Es liest sich nicht wie ein Abschied, es ist viel mehr eine Art Kündigung, als wenn jemand seinem Mitarbeiter kündigt. Der damit einhergehende Gesichtsverlust ist enorm. Tschüs. Zu schreiben, sie fällt danach in ein Loch, wäre falsch. Sie wird hineingeworfen in das Loch, behandelt wie ein Stück weggeworfene Bananenschale. Es ist nur ein kurzer Kommentar zum Verhalten junger Männer gegenüber Frauen in Japan, aber er hat es in sich. Den Freund habe ich Dir über Jahre vorgespielt, aber eigentlich warst Du nur meine Geliebte, diese Geliebte kannst Du mir ja trotzdem  weiterhin sein. 

Wer einmal eine Depression hatte, der kennt es möglicherweise: Man möchte nur schlafen, und so geht es auch Takako. Sie fällt in ihr Bett wie in einen ausgetrockneten Bergbach. Nichts treibt sie mehr voran, nichts fließt mehr durch sie hinduch.  Die Liebe ist zerfallen zu Staub, wie Dornröschen scheint sie verhext und zu ewigem Schlaf, andauernder Müdigkeit und Einsamkeit verdammt zu sein. Yagisawa nennt es »ins All katapultiert« , und meint wahrscheinlich damit das Vakuum, das entsteht, wenn die Farbe, das Bunte, die Luft, der Geist, jeder einzelne, dem anderen in Liebe zugewandte Gedanke, aus unserem Leben entschwinden. 

So verharrt sie in ihrem kleinen einsamen Wohnungsuniversum, bis ein rettender Anruf sie erreicht. (Anm. d. Verf.: Wann hatten wir in unserem Leben jemals einen solchen rettenden Anruf?) Es ist ihr Onkel Satoru, der sie einlädt, in der Wohnung über seinem Antiquariat zu wohnen, bis sie sich wieder gefangen hat. Damit sei das Nützliche mit dem Praktischen verbunden, sie spare Geld, bis sie wieder arbeiten könne, und er, was sie noch nicht weiß, findet eine nützliche Aushilfe für sein Antiquariat.

Von dem, was danach passiert und wie ihr, dem Anschein nach, Bücher dabei helfen, zu ihrem Leben, womöglich zur Liebe zurückzufinden, davon handelt dieses Buch und es ist, wie der Vorbeiflug der gemütlichen Wolke, eine einfache und schöne Lektüre. Schnörkellose und eher einfache Sprache – was zur Zeit wohl lobend hervorgehoben wird – und eine einfach schöne oder, wie ich es eher beschreiben würde, eine schön einfache Geschichte, die einige japanische Autoren nennt — über die wir aber nichts erfahren. Sie und ihre Bücher bleiben im Schatten verborgen, so wie sie Takako am ersten Tag in der Wohnung beziehungsweise im Lager in der ersten Etage auch vorfindet. Sie befinden sich im Dunkel und werden erst im Laufe der Geschichte beleuchtet. Aber nur sehr flüchtig. Und nur unvollständig. Um es mit Tanizaki Jun’ichiro zu sagen, die Bücher verbleiben in dem selben diffusen Halbdunkel, wie es auch traditionelle tokonoma in Tempeln aufweisen, es ergebe sich, so Tanizaki, »zwischen solchen alten Bildern und düsteren Wandnischen ein so genaues Zusammenspiel, daß man die Undeutlichkeit der Zeichnung nicht nur problemlos akzeptiert, sondern auch noch das Gefühl hat, ein solches Maß an Undeutlichkeit sei genau das Richtige.«

Ob es der Leserin oder dem Leser hier mit den genannten Büchern und Autoren genau so geht? 

Möglicherweise sind es hier gerade die Undeutlichkeit und das zwielichtig Diffuse, die die Anforderung an Schönheit im Schatten erfüllen, weil diese ungelesenen Bücher, quasi im Sinne eine Umberto Eco'schen ›Antibibliothek‹, in ihrer Ungelesenheit mehr Verheißung bieten, als es die Lektüre später je erfüllen kann. 

nd wie lässt es der Autor im Buch Wada-san sagen: »Spielt es eine Rolle, ob man sich gut auskennt oder nicht? So gut kenne ich mich auch nicht aus. Ist es nicht viel wichtiger, ob ein Text etwas in einem auslöst?«

Warum die genannten Autoren und die Lektüre ihrer Bücher so eine heilsame Wirkung entfalten, so richtig verstehen wir es nicht. Vielleicht geht es uns selbst aber mit dem Buch »Die Tage in der Buchhandlung Morisaki« genau so. Wir mögen das Buch, können aber nicht genau sagen, warum. Womöglich verfallen wir bei der Lektüre nostalgischen Gefühlen, wie Johannes Hofer (1669–1752) schrieb, einem krankmachenden Heimweh. Um das zu erklären: die nicht-medizinische Bedeutung von Nostalgie kam erst später auf, und vielleicht entfaltet sie ihre Wirkung besonders bei jenen Menschen, bei denen die Nostalgie als Korrektiv zu einem seelischen und emotionalen Ungleichgewicht im Jetzt entsteht. Ich habe selbst sehr nostalgische Erinnerungen an die verschachtelte Buchhandlung ›Nettesheim‹ in Wuppertal-Elberfeld – die schon lange nicht mehr existiert – deren Taschenbuch- und Krimi-Abteilung aber eine einzigartige Verlagssortierung hatte, die so heute meines Wissens nach nirgendwo mehr existiert. Also führt mich diese Buchhandlung, die ich mir dank des Buchcovers als klein, traditionell und wunderbar vollgestellt vorstelle, genau die Anforderung an ein Bild, das meine Sehnsucht im Jetzt mit einer Verwirklichung im Vergangenen erfüllt. Womöglich ist die Nostalgie auch immer mit der Suche nach einer inneren wie äußeren Heimat verbunden, so wie es die Ostalgie ist, und möglicherweise geben uns Bücher und ein Buchladen wie dieser jenden Halt, dieses beheimatete Gefühl, zu dem die Welt selbst nicht mehr in der Lage ist.

Und dass Bücher eine heilsame Wirkung erzielen können, das kann kaum bezweifelt werden.  

Mont Ventoux, Frankreich, 16.09.2015
Mont Ventoux, Frankreich, 16.09.2015

Sanft und silbergestickt fand ich die süßen Berge.

Christian Morgenstern, Stufen [3]
An der Oberfläche oder oberflächlich?

Handlung

Das Graskissen-Buch

Die Poesie, die hinter Graskissen steckt, ist uns hier in Europa nicht gänzlich fremd. Während die Romantik hier im Westen den Spaziergang zum Kern von Betrachtungen gemacht hat, war es in Japan das Kusamakura = Graskissen. »Das Graskissen« als Bezeichnung für eine Reise, die ›an die Art von poetischer Reise erinnert, wie sie von Bash?s ›Auf schmalen Straßen ins Hinterland‹ verkörpert wird‹. Der Roman erzählt von einem Künstler, der sich in die Berge zurückzieht, wo er in einem abgelegenen, fast verlassenen Hotel übernachtet. Dort wird er von der geheimnisvollen Gastgeberin O-Nami fasziniert, die ihn an das Gemälde Ophelia von John Millais erinnert. Vorgeblich auf der Suche nach Motiven, die er malen kann, fertigt der Künstler nur ein paar Skizzen an, schreibt aber stattdessen Gedichte. Diese Gedichte sind in einen Text eingefügt, der aus Szenen aus dem zurückgezogenen Leben des Künstlers und essayistischen Betrachtungen über die Kunst und die Stellung des Künstlers in der Gesellschaft besteht. In diesen Betrachtungen zitiert und erwähnt der Künstler eine Vielzahl von japanischen, chinesischen und europäischen Malern, Dichtern und Schriftstellern.

Kusamakura

Zur Handlung möchte ich nicht viel mehr schreiben, als dass das Antiquariat eine heilsame Wirkung auf Takako hat, die Gründe aber, warum die in Form von Literatur verabreichten Drogen solche Wirkung erzeugen, sie bleiben unklar und rätselhaft. Hier bleibt die Geschichte nur an der Oberfläche, was ganz direkt zum Adjektiv oberflächlich führt, was sich schon abwertender (für mich) anhört, als an der Oberfläche bleibend. Wenn man nichts über die Autoren weiß, und viele von ihnen sind nicht ins Deutsche, nicht mal ins Englische übersetzt, stehen die Leser*innen doch ziemlich ratlos dar, wobei sich bei genauerem Hinsehen einige interessante Hinweise zum Verständnis ergeben. Aber auch diese bleiben hier, aus Zeitgründen, natürlich ebenso oberflächlich,  Wie ich es eigentlich lieber formuliere, aus der etwas tieferen Recherche entstehen Einsichten, die mich zum Nachdenken anregen, ohne dass ich mich eines genauen Verständnisses rühmen wollte. Ich bin, wenn wir beim Bild der Oberfläche bleiben, vielleicht einen oder zwei Meter tief getaucht, und weiß also immer noch nichts über dieses literarische Meer unter der Oberfläche.

Ein paar Stellen im Buch geben uns aber möglicherweise Hinweise auf die Bücher der erwähnten Autoren. Und hier sei einmal wieder Tanizaki Jun’ichiro erwähnt, zu dem möglicherweise zwei Stellen im Buch hinleiten. Da ist einmal die auf Seite 103 genannte Bohnenpaste zu nennen. Hier heißt es im Buch nur lapidar: »Wir standen Schulter an Schulter an der Kasse und aßen die mit Bohnenmus gefüllten Waffeln, die ich unterwegs gekauft hatte.« Hier dürfte es sich wahrscheinlich um ›Anko‹, süße rote Adzukibohnenpaste handeln. Es gibt aber noch eine andere berühmte Speise aus Adzukibohnen , und das ist jene über die Tanizaki in »Lob des Schattens« dieses schreibt: »Vor einiger Zeit hat Meister Soseki in seinem Werk »Kusamakura« die Farbe der süßen Bohnenpaste (Yukan) gepriesen; und in der Tat, hat jene Farbe nicht auch etwas Meditatives an sich. Die wie Jade halbduchsichtige, umwölkte Oberfläche saugt das Licht tief in sich hinein und umschließt eine traumhafte matte Helligkeit. Ein solches Gefühl, eine solche Tiefe und Komplexität der Färbung wird man bei westlichen Süßigkeiten nie zu Gesicht bekommen.« Ich musste erst einmal recherchieren, ob die Bohnenpaste süß oder salzig ist, weil sie mir nicht bekannt war. Erst durch die Lektüre von Tanizakis ästhetischen Betrachtungen wurde mir die Bedeutung dieser Speise klarer. Meister Soseki schreibt in »Kusamakura« (Das Graskissen-Buch): »Von allen japanischen Süßigkeiten mag ich den yokan am liebsten. Nicht weil ich ihn besonders gerne esse, sondern weil die Art, wie er mit seiner glatten, makellosen und halb durchscheinenden Struktur die Strahlen des Lichts auffängt, ihn für mich, wie immer ich ihn betrachte, zu einem wahren Kunstwerk macht. Die grünlich schimmernde, bis zur Feinkörnigkeit gerührte Beschaffenheit macht ihn einer Kreuzung aus Jade und Alabaster ähnlich und ruft in mir schon beim Ansehen ein äußerst angenehmes Gefühl hervor.«

Einen weiteren Bezug zu Tanizaki Jun’ichiro könnte man herstellen, wenn man sich im Buch »Liebe und Sinnlichkeit« (Deutsche Ausgabe 2011) die Stelle zur Haut asiatischer Frauen, er schreibt dort: »(...) aber auch die Haut der Japanerinnen ist verglichen mit westlichen Frauen bei Weitem delikater. Selbst wenn sie nicht schneeweiß schimmert, so verleiht ihr oft gerade die gelbliche Tönung eine besondere Tiefe und Fülle.«   Insofern ist es vielleicht erforderlich den von Tante Momoko ausgesprochenen Hinweis »Was für eine schöne, straffe Haut Du hast! Da sieht man, wie jung du noch bist« , mehr in dem unausgesprochenen kulturellen Rahmen der japanischen Kultur zu lesen und zu verstehen.  Dies geschieht auf der ausgiebigen Wanderung, die Takako mit ihrer Tante unternimmt. Und Wandern und Bergsteigen hat in Japan Tradition, zu den Schreinen und Berggipfeln steigt man aus Verehrung auf. Es ist Thema in Bashos »Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland« wie in Soseki Natsumes »Kusamakura« (Dt: »Das Grasskissen-Buch«) In Europa ist der kulturelle Wert des Gipfelerklimmens seit Petrarca bekannt, der den Mont Ventoux in Frankreich am 26. April 1336 bestieg. »Auf dem Gipfel liest Petrarca bei Augustinus von der menschlichen Überbewertung der Außenwelt und der Vernachlässigung der Seele. Beschämt und geläutert tritt er den Rückweg an.« Petrarcas Besteigung läutet eine Wende ein, der Mensch mit seinen Fähigkeiten steht im Fokus, nicht der Wille Gottes; beim Aufstieg auf den Berg geht es um Läuterung, um die Überwindung der eigenen inneren Konflikte. Und so entdeckt Takako auch beim Abstieg am Wegesrand eine Yama yuri, eine Berglilie, in diesem Fall die Goldbandlilie Lilium auratum, die in Japan endemisch ist. Und ihr wird traditionell die Bedeutung von Reinheit und göttlicher Schönheit zugewiesen. Die Alten glaubten, dass dies diesen Blumen die Fähigkeit verliehe, böse Energien zu vertreiben. (Tsukublog)

Der Himmel war blau.

Und dann ist da am Ende dieser eine Satz: »Der Himmel war blau. Gemütlich zog eine Wolke darüber hinweg.« Für mich ist er einer der Kernsätze des Buches. Warum? Weil hier zusammengefasst ist, was für mich persönlich die Protagonistin und was das Buch ausmacht. Takako eckt nicht an, sie zeigt keine überbordenden Empfindungen, dies ist in der japanischen Gesellschaft auch nicht erwünscht. Im Gegensatz zu »Jane Eyre«, »Zimmer mit Aussicht« oder »Das Land der spitzen Tannen« bleibt mir die Geschichte weder durch überraschende Wendungen, noch durch eine besondere Sprache, starke Bildhaftigkeit oder aus anderen Gründen im Gedächtnis, auch wenn ich mir cirka 30 Zitate aus dem Buch in den Zettelkasten einverleibt habe. Und deswegen habe ich den nachstehenden Text geschrieben. Takako ist vielleicht genau ...

Gemütliche Wolke, Chaumant-sur-Loire, 19. September 2024, 14:38 Uhr.
Gemütliche Wolke, Chaumant-sur-Loire, 19. September 2024, 14:38 Uhr.

Aber in einem bestimmten Stadium des Wohlstands, wie bei einem Ballonaufstieg, durchquert der Glückliche eine Wolkenzone, und die sublunaren Dinge sind von da an seiner Sicht verborgen. Er sieht nur noch die Himmelskörper, alle in bewundernswerter Ordnung und so gut wie neu. Er findet sich auf rührende Weise von der Fürsorge der Vorsehung umgeben und vergleicht sich unwillkürlich mit den Lilien und den Feldlerchen.

Robert Louis Stevenson : An Inland Voyage, 1878 [4]
Die gemütliche Wolke

Was macht eine gemütliche Wolke aus?

Auch eine gemütliche Wolke ist eine Ansammlung von Wassertropfen, die auf eine geheimnisvolle, bis heute nicht genau bis ins letzte Detail geklärte Art und Weise, zusammengehalten werden. Auch sie hat ihre innerwolkeische Dynamik. Sie lässt sich schwer im Inneren beobachten. Auch diese Art der Wolke, vor all ihrem himmlischen, mal sumpfschwertlilienhaften (Cullers) reinen (Rahel) taftartigem (Goethe) und strahlendem (Yagisawa) Blau ist immer mehr ein Gebiet als ein Gebilde. Die gemütliche Wolke ändert eigentlich nicht ihre Form, maximal sehr langsam und dann sprungartig, wie bei einem Phasenübergang. Getrieben von der Kraft des Windes treibt sie durch die Atmosphäre, sie ist für sich allein, sie behält ihre Richtung unabänderlich bei, von Ferne kommt sie uns unaufhörlich näher, steht über uns und strebt dann immer weiter, sich verkleinernd dem Horizont zu. Erst wenn sie bei uns ist, erkennen wir die Natur ihrer Gemütlichkeit. Behaglich schaut die gemütliche Wolke aus, sie ist weich und erinnert in ihrer Form an ein Schaf, kurz bevor ihm die winterliche Wolle geschoren wird. Sie ist heimelig, denn wir wollen uns in ihr betten, in ihr liegen und uns mit ihrem weiten Abstand vom Boden selbst von unserem, oftmals mühseligen Alltag lösen und ein wenig Abstand gewinnen. Ihre Heimeligkeit öffnet unseren nostalgischen Gefühlen Tür und Tor und so treiben sie wie kleine Luftballons in die Atmosphäre hinauf der gemütlichen Wolke zu. Die gemütliche Wolke nimmt uns vielleicht so auf, wie der weiche und warme Schoß unserer Mütter es einmal getan haben mag. Die gemütliche Wolke ist ausgeglichen, denn alle Kräfte, die in ihr wirken, haben sich gegeneinander aufgehoben und deshalb nimmt die Wolke, leicht geglättet von den Kräften des Windes, glatt gestrichen wie die weiche Creme auf einer Buttercremetorte, eine fast perfekte stromlinienförmige, widerstandslose Form an. So wie ein Pinguin oder eine Robbe durch das Meer, so gleitet die gemütliche Wolke durch die Luft. Ihre Form passt sich den Verwirbelungen des Lebens auf sanftmütige Weise an, niemals würde es aus einer gemütlichen Wolke heraus regnen. Dazu ist sie nicht aufgeladen genug. Die gemütliche Wolke ist besonnen, denn sie begehrt nichts. Oder nur wenig, denn sie übt ständig Mäßigung, denn Maß ist von allem das Beste, sagte schon Hesiod. Trotzdem hat die gemütliche Wolke Courage, sie ist nicht träge, sie nutzt nur die ihr inne wohnende Kraft besonders effektiv. Die gemütliche Wolke ist dem Himmel zugewandt. Wie das Wort Gemütlichkeit es schon sagt, sie ist voller Gemüt. Sie hat Kraft, auch wenn sie nicht über die Maßen groß oder stark ist. Die gemütliche Wolke ist schwer aus der Ruhe zu bringen. Diese Wolke ist bei sich. Äußerlichkeiten sind ihr vielleicht weniger wichtig als innerer Frieden; sie ist frei, das ist ganz besonders wichtig, ihr Handeln schadet niemandem, lieber löst sie sich unter den heißen Strahlen der Sonne auf, als dass sie anderen zur Last fällt. Oder sie einen Schatten wirft. Nein, auch im Schatten der gemütlichen Wolke wird man beschienen. Von ihrem Glück. Niemals würde man der gemütlichen Wolke äußerlich Gefühle anmerken, dazu ist sie nicht nur zu klein, nein, schon von außen sieht man ihrer hellen und fast transparenten weißen Form an, dass in ihr keine dunklen Wolken aufquellen oder Blitze toben und das feine federleichte Gebilde in zusammenhanglose Cirruswolken zerstieben könnten. Niemals würde sich die gemütliche Wolke mit anderen zu dicken Gewitterclustern verbinden. Die gemütliche Wolke bewegt sich in einem Raum, der wie der weit entfernte Horizont scheinbar unendliche Dimensionen hat, und doch fühlen wir uns in dem Moment ihres Anblicks sicher. Das Erleben des Vorbeizugs der gemütlichen Wolke bringt uns selbst unser physisches und seelisches Gleichgewicht zurück. Die Wolke selbst bewegt sich selbst in unruhigen Momenten voller Anmut und gewinnt auf diese Weise jeder Zeit ihre Anmut zurück. Die gemütliche Wolke kennt keine Gekünsteltheit, ihre Schönheit entsteht aus ihrer unverbürgten und flüchtigen Natur. Sie gefällt ohne Regeln, sagte Roger de Piles. Die Anmut der gemütlichen Wolke kann nicht erlernt werden. Baldassare Castiglione (1478 - 1529) hätte zugestimmt. Die gemütliche Wolke ist weiß, nur an ihren Rändern können wir leichte zartgraublaue Schatten erkennen, die ihren Charakter zu etwas Wolkigem wie chinesischer Jade oder japanischer Bohnenpaste trüben. Aber durch das Getrübte gewinnt die Wolke auch eine größere Tiefe. Strahlend weiß, wie frisch gekochter Reis in einer dunklen Schale, leuchtet die gemütliche Wolke in die Schatten unserer Gedanken. Unschuldig, jungfräulich und rein strahlt sie von ihrem Himmel auf uns hinunter. Im besten Sinne Bouterweks ist sie vollkommen, und das metaphysisch und empirisch betrachtet – objektiv.

Das klingt schön.

Leider ist die gemütliche Wolke auch weit von uns weg. Im Schnitt bewegen sich mittelhohe Wolken in Lagen von zwei bis sieben Kilometer Höhe, für uns ohne Hilfsmittel unerreichbar. Wir können nicht oder nur schwer zu ihr aufsteigen, es ist nicht möglich sie zu berühren. Und niemals berührt sie uns. Allerdings können wir mit ihr fliegen, das macht uns frei. Wir könnten zumindest spüren, wie es wäre, eine gemütliche Wolke zu sein. 

Luke Howard (1772 – 1864) war ein als Begründer der Wolkenkunde geltender Pharmakologe und Apotheker und leidenschaftlicher Meteorologe. Zur Frage, wie man Wolken begreifen könne, soll er nach Stéphane Audeguy behauptet haben, man müsse »einen Moment lang die Wolken an sich betrachten und für sich. Kurz, man muß sie lieben, und im Grunde ist er seit der Antike der erste Mensch, der das tut. Er ist der erste, der sie aktiv betrachtet, und er meint festhalten zu können, dass die Wolken aus ein und derselben Materie bestehen, die sich fortwährend verändert, dass also im Grunde jede Wolke eine Metamorphose einer anderen ist.«

Die gemütliche Wolke muss man einfach lieben, und das, meine ich, macht die Kraft ihres Erfolges aus. 

Und so meine ich es auch mit dem Buch. Es ist einfach schön und schön einfach. Es betrachtet Literatur und Literaten aus Distanz. Trotz dieser Distanz nehmen wir etwas Schönes wahr, vieles bleibt in einem diffusen Zwielicht von Nostalgie und Entwicklungsroman, der Raum für unsere eigenen Gedanken lässt. Wie Stephen King es schrieb, erkläre den Vogelkäfig nicht zu genau, denn sonst bleibt kein Raum für die Phantasie des Lesers. 

Das Buch kann aber ein wunderbarer Schlüssel sein, wenn man ihn in die Tür der japanischen Literatur steckt und durch sie hindurch schreitet. Dann eröffnet sich ein erzählerischer Raum der Frühmoderne, der zu einem großen Teil den jungen und alten Leser*innen des Buches noch unbekannt sein dürfte.

Doch ergibt sich zwischen solchen alten Bildern und düsteren Wandnischen ein so genaues Zusammenspiel, daß man die Undeutlichkeit der Zeichnung nicht nur problemlos akzeptiert, sondern auch noch das Gefühl hat, ein solches Maß an Undeutlichkeit sei genau das Richtige.

Tanizaki Jun'ichiro : Lob des Schattens, geschrieben 1933 [5]
Lob des Schattens

Die Bücher liegen im Dunkeln

Ich habe bewusst geschrieben, dass die Bücher im Schatten lägen, sie werden erwähnt und mit Ausnahme von  Muro Saiseis »Der Tod eines Mädchens« (S. 47) erfahren wir wenig über sie und welchen, ja vermutbar positiven Einfluss, die Autoren auf die Protagonistin haben.

Als Takako im Haus der Buchhandlung ihres Onkels ankommt, findet sie den dunklen Raum in der ersten Etage vollgestellt mit Büchern. Wie »eine futuristische Skyline«,  sagt sie sich, sähe es aus. Welche Bücher sie dort von A nach B räumt, wir erfahren es nicht. Die Bücher bleiben im Dunkeln. Bemerkenswert ist allerdings der subtile Hinweis auf ›tsundoku‹, den japanischen Slang-Begriff für das Aufstapeln von Büchern, sei es als Selbstzweck oder zur späteren Lektüre.

Im gesamten Buch werden japanische Autoren und einige andere westliche vor uns aufgestapelt. Wie der Onkel selbst sagt, im Antiquariat geht es um die japanische Frühmoderne, die »kindai bungaku«. Weil es mich interessierte, habe ich mir die Autoren aufgeschrieben. Wenn ich den anonymen Autoren mitzähle, dessen Titel »Auf halbem Weg nach oben« (S. 117 und 130ff) zweimal genannt wird, erwähnt Satoshi in seinem Buch 21 Autoren, davon 17 japanische (imho), drei nordamerikanische und einen Europäer. 

Natürlich fällt auf, dass keine japanischen Autorinnen der literarischen Frühmoderne in Japan im Buch genannt werden, dabei gibt es einige zu nennen: Higuchi Ichiyo (1872 – 1896), Chino Masako (1880 – 1946),  Takako Hashimoto (1899 – 1963), Hiratsuka Raicho (1886 – 1971), Ishigaki Rin (1920 – 2004), Katayama Hiroko (1878 – 1957), Miyamoto Yuriko (1899 – 1951), Morita Tama (1894–1970), Nakajima Utako (1844–1903), Nogami Yaeko (1885–1985), Okamoto Kanoko (1889–1939), Tamura Toshiko (1884 – 1945) ... um nur einige zu nennen. Und ich gebe unumwunden zu, von all diesen Autorinnen weiß ich nichts.

Hier meine Liste der im Buch (bezogen auf die deutsche Ausgabe) genannten japanischen Autoren in alphabetischer Reihenfolge mit Angabe der Seiten und des unter Umständen erwähnten Titels:

Name Geburtsjahr Sterbejahr Erwähnter Titel Seite
Akutagawa Ry?nosuke 1892 1927   50
Dazai Osamu 1909 1948 Die Schülerin 55
Fukunaga Tekehiko 1918 1979   88
Inagaki Taruho 1900 1977   118
Kajii Motojiro 1901 1932 Landschaft einer Seele 51
Kinoshita Naoe 1869 1937 Zitat 72
Mori Ogai 1862 1922   23
Muro Saisei 1889 1962 Der Tod eines Mädchens 47f
Mushanokoji Saneatsu 1885 1976   134, 181
Nagai Kafu 1879 1959   50
Ozaki Kazuo 1899 1983   88
Sato Haruo 1892 1964   50
Shiga Naoya 1883 1971   28
Taneda Santoka 1882 1940   45
Tanizaki Jun’ichiro 1886 1965   23,50
Uno Koji 1891 1961   50

Und die westlichen Autoren

Name Geburtsjahr Sterbejahr Erwähnter Titel Seite
Faulkner, William 1897 1962   64
Andersen, Hans Christian 1805 1875   71
Capote, Truman 1924 1984   64
Updike, John 1932 2009   64

Die japanische Literatur ist ein weites Feld und die meisten Autoren der genannten Epoche waren mir gänzlich unbekannt. Da ich aber immer gerne wissen möchte, warum sie im Buch genannt werden und ob es einen Sinn beziehungsweise eine Bedeutung hat, versuche ich ein wenig mehr herauszufinden. Nur von Tanizaki Jun’ichiro habe ich zwei Bücher hier, die bereits erwähnten  »Lob des Schattens« und »Liebe und Sinnlichkeit«. 

Der Schwerpunkt der antiquarischen Buchhandlung Morisaki ist für mich schwer zu fassen. Frühmoderne, was bedeutet dies für die japanische Literatur? 

Wer nur der Vernunft folgt, eckt an. Wer in den Strom der Gefühle hinausrudert, wird von ihm erfasst. Wer seinen Willen durchsetzt, dem wird es bald zu eng.

Soseki Natsume : Das Graskissenbuch. Geschrieben 1906 [6]
Anbruch der Meiji-Zeit

Die japanische Frühmoderne

Mit Moderne wird klassischerweise jene Zeit bezeichnet, die mit Anbruch der Meiji-Zeit begann und mit dem Ende des zweiten Weltkriegs 1945 endete. Die Meiji-Zeit war eine gesellschaftliche und kulturelle Epoche Japans, die von der Herrschaft des Tennos Mutsuhito geprägt wurde. Sie dauerte von seiner Inthronisation am 25. Januar 1868 bis zu seinem Tod am 30. Juli 1812. Diese Zeit war gekennzeichnet von der Meiji-Restauration – Abschaffung des Sh?gunats und die Erneuerung der Macht des Tenn?– und der damit verbundenen Einführung eines neuen politischen Systems nach westlichem Vorbild. Mit der Öffnung zum Westen ging auch eine literarische und kulturelle Aufklärung einher, westliche Literatur wurde übersetzt. (Siehe Mori ?gai, Fukunaga Takehiko und andere). Bedeutsam für die Entwicklung des Romans jener Zeit sollen »Bemerkungen über den Roman« von Shimei Futabatei (1864 – 1909) und »Über das Wesen des Romans« von Tsubouchi Sh?y? (1859 – 1935) gewesen sein. Shimeis Roman Ukigumo (1887 veröffentlicht, dt. Ziehende Wolken) stellt laut Wikipedia den Beginn des modernen Romans in Japan dar. Mori ?gai begnetet uns mit der auch in Japan aufkeimenden Romantik, er übersetzte Hans Christian Andersens autobiografischen Roman »Der Improvisator« (1835), eine an poetischer Stimmung reichen Liebesgeschichte (Quelle: Wikipedia) über einen italienischen Waisenjungen. Dem Buch ging eine lange Bildungsreise Andersons durch Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Italien voran. 1890 erschien dann Mori ?gais eigene Erzählung »Die Tänzerin« (Maihime, Suhrkamp 2020), die seine Erfahrungen in Deutschland zum Gegenstand hat und die die Befreiung des Ich schildert. (Quelle: ebd.) Der Verlag schreibt zu den zwei Geschichten, »Die Tänzerin ist die erste Ich-Erzählung der neueren japanischen Literatur. Ihre Wirkung in Japan ist in Deutschland nur mit der von Goethes Werther zu vergleichen« (Suhrkamp 2020). Tayama Kateis (1872 – 1930) Roman »Futon« von 1907 stellt wohl den Beginn des ›Ich-Romans‹ in Japan dar, eine für Japan prägende Gattung. Daneben entwickelte sich eine Vielzahl von Strömungen, deren Autoren wir zum Teil auch in der Buchhandlung Morisaki begegnen. ›Yoy?ha‹ oder ›Parnasse‹ – die Naturbeschreibung – bildet mit ihren bedeutenden Vertretern und intellektuellen Müßiggängern Mori ?gai und Natsume S?seki (1867 – 1916) eine eigene Gegenströmung. Der Ästhetizismus, zu deren Vertretern der in Europa besser bekannte Tanizaki Jun’ichir? gehört, die einflußreiche Gruppe ›Weiße Birke‹ mit ihren im Buch genannten Vertretern Shiga Naoya und Mushanok?ji Saneatsu und die ›Kiseki‹-Bewegung, übersetzt etwa mit ›Wunder-Schule‹, die sich hauptsächlich dem Ich-Roman widmete.

Dem Interesse der Autoren der ›Kiseki‹-Bewegung galten nicht die positiven Aspekte des menschlichen Daseins und Denkens, sondern die dunklen Seiten des Menschen und seinen finsteren seelischen Abgründen war für diese Autoren von Belang. Wie die Autoren selbst waren die Protagonisten der Werke von inneren Dämonen geplagt. Zu den Vertretern gehört der hier im Roman genannte Uno Koji, aber auch Hirotsu Kazuo und Kasai Zenzo.

Mit Beginn der Taisho-Zeit (Regierungszeit des Tenno Yoshihito von 1912 bis 1926), begleitet vom Russisch-Japanischen Krieg, eigenen Kolonialisierungsbestrebungen in Korea und Taiwan, unter gleichbleibend starkem westlichen Einfluss wandelte sich die Literatur in Japan erneut.  Der in der Meiji-Zeit aufkeimende Ästhetizismus fand in den 1910 von Tanizaki Jun’ichiro herausgegebenen Kurzgeschichten seine manifestierende Verstetigung. Neben vom Humanismus geprägten Werken, dem von Shiga Naoya mit geprägten ›Gemütsroman‹, der die **subjektive Erfahrung des Erzählers**, die emotionale Wirkung auf den Leser und eine gewisse interpretationsfähige Zweideutigkeit zum Thema hat, kamen in Japan auch der reine Unterhaltungsroman, der Abenteuer- und der Kriminalroman auf. 

Die Showa-Zeit unter dem Tenno Hirohito, Sohn des Tenno Yoshihito, führte Japan mit ihrem imperialistischen Militarismus in den zweiten Weltkrieg. Parallel zu den Entwicklungen in Europa kamen zu dieser Zeit auch in Japan proletarische Literatur und literarische Techniken des Dadaismus, des Futurismus und des Expressionismus auf.  Mit Autoren wie Yokomitsu Riichi und Kawabata Yasunari entstand der ›Neo-Sensualismus‹, der thematisch geprägt war von traumgleich entrückten Lebenswelten und traditionellem Schönheitsempfinden (Quelle: ebd.). Mit seinem »Essay über den reinen Roman« führte Yokomitsu Riichi in Japan die Notwendigkeit eines sich selbst betrachtenden Ichs als vierte Distanz in die Literatur ein, in der schonungslose Introspektion mit dem Selbstbewusstsein verbunden sind.

Über die zeitgenössische japanische Literatur schreibt Lisette Gebhardt in ›Allereinfachste Sätze. Kleine Narratologie der zeitgenössischen japanischen Literatur‹, sie sei »(...) und ist schon länger sowohl in ihrer reinen erzählerischen Handwerklichkeit wie auch in ihrer Themenstellung “global verträglich”, wobei die jeweiligen Texte und ihre Übersetzungen freilich auch mit dem Zeitgeschmack korrespondieren müssen, um als “lesbar” zu gelten.« (Gebhardt 2009)

Hier also das Ergebnis meiner sonntäglichen Recherchen zu den genannten Autoren:

Akutagawa Ryunosuke

1892 – 1927 : Akutagawa Ryunosuke war ein japanischer Dichter und Schriftsteller. — Erwähnung auf Seite 50.

Geboren 1. März 1892 in Tokio; gestorben 24. Juli 1927 ebenda. Neben Essays und Lyrik schrieb er etwa 150 Kurzgeschichten, Erzählungen und Romane. Der bedeutendste japanische Literaturpreis, der Akutagawa-Preis, ist nach ihm benannt. Als eine bedeutende Leistung Akutagawas gilt, dass er versuchte den einheimischen japanischen Literaturstil der westlichen Literatur zu verbinden. Armin Stein schreibt, er besteche durch eine unübertroffene stoffliche und stilistische Vielfalt und wird in Japan so hoch geschätzt, daß es für viele den Übergang von Tradition über Moderne zu Post-Moderne verkörpert. Akutagawa leistete einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der eigenständigen japanischen Ich-Erzählung (watakushi-shosetsu bzw. shi-shosetsu), dem herausragenden Genre in der japanischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Kinobesuchern dürfte er für seine Vorlagen (Rashomon, 1915 und Im Dickicht, 1922) zu Akira Kurosawas Film »Rashomon - Das Lustwäldchen« sein. Zahlreiche seiner Bücher sind ins Deutsche übersetzt (Liste hier https://de.wikipedia.org/wiki/Akutagawa_Ry%C5%ABnosuke#Werke), bekannte Übersetzer sind Jürgen Berndt, Heinz Brasch und Armin Stein.

Quelle: Akutagawa Ryunosuke

Dazai Osamu

1909 – 1948 : Dazai Osamu war ein japanischer Schriftsteller, zehntes von elf Kindern und Sohn eines wohlhabenden Landbesitzers. — Erwähnung auf Seite 55.

Geboren 19. Juni 1909 in Kanagi-cho, heute: Goshogawara, Präfektur Aomori; gestorben 13. Juni 1948 in Tokio. Als einschneidendes Erlebnis Dazais gilt der Freitod Akutagawa Ryunosukes 1927, da war Dazai gerade einmal 18 Jahre alt. Sein Werk kennzeichnet sich durch eine höchst subjektive Erzählweise, er war stark vom japanischen Ich-Roman (Shish?setsu) beeinflusst, in dem eine höchst realitätsgetreue Darstellung als Ausgangsmaterial für eine fiktionale Erzählung dient. Auch wenn schon zahlreiche Übersetzungen erschienen sind (Liste ), soll ab 2024 das Gesamtwerk von Dazai Osamu in zwölf Bänden – von Erika Strohbach ins Deutsche übersetzt – erscheinen. Über seinen Roman »No longer Human« schrieb der Suhrkamp-Verlag: »Voller Witz und Sarkasmus durchleuchtet Osamu Dazai in No Longer Human. Bekenntnisse eines Gezeichneten die Fragilität der menschlichen Existenz und entfaltet erzählerisch die Wirkkraft eines widerständigen Denkens.« Jürgen Stalph fasst im Nachwort zu »Alte Freunde« Dazais letzte Zeit in Tokio so zusammen: »Alkohol, Frauen, Selbstmordversuche«. Tatsächlich starben, so Stalph, sowohl bei einem Selbstmordversuch als bei seinem Freitod 1948 seine Geliebten. Nach Dazai Osamu ist ebenfalls ein Literaturpreis benannt, der Dazai-Osamu-Preis für japanische Nachwuchsschriftsteller. Er wird seit 1966 vergeben. Der im Buch erwähnte Roman »Die Schülerin« ist auf Englisch als »schoolgirl« erschienen. (2011, Thalia )

Quelle: Dazai Osamu

Fukunaga Tekehiko

1918 – 1979 : Fukunaga Takehiko war ein »beeindruckender« japanischer Romanautor, Lyriker und Übersetzer französischer Literatur. — Erwähnung auf Seite 88.

Geboren 19. März 1918 in der Präfektur Fukuoka; gestorben 13. August 1979. Er studierte französische Literatur und übersetzte Werke von Jean-Paul Sartre und Charles Baudelarie ins Japanische. Da Fukunaga an Tuberkulose erkrankte, verbrachte er einen Großteil seines Lebens in Sanatorien. Sein erst 2012 erschienener und von Otto Putz übersetzter Roman »Des Grases Blumen« gilt in Japan als klassischer Jugendroman. Fukunaga gelingt es mit großer Sensibilität in die Psyche eines heranwachsenden jungen Intellektuellen vorzudringen. Unter dem Pseudonym Kada Retaro veröffentlichte Fukunaga Detektivromane und Science-Fiction-Romane als Funada Gaku.

Quelle: Fukunaga Tekehiko

Inagaki Taruho

1900 – 1977 : Inagaki Taruho war ein japanischer Maler und Schriftsteller. — Erwähnung auf Seite 118.

Geboren 26. Dezember 1900 in Osaka; gestorben 25. Oktober 1977. Bekannt wurde er mit seiner 1923 veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung »Geschichten aus eintausendundeiner Sekunde«, das 1998 zum ersten Mal auf Englisch erschien. Kirkus Reviews schreibt über das Buch »(...) aufreizend kurzen Geschichten, von denen viele sehr fragmentarische Destillationen einfacher Beobachtungen sind. Inagaki begnügt sich oft mit simpler Ironie, aber wenn seine Fantasie überbordet (wie in den Geschichten mit „Mr. Moon“, einer immer wiederkehrenden Figur, die eine schrullige Mischung aus Gottheit und Betrüger ist), nehmen seine skizzenhaften Fiktionen eine komische Verrücktheit an.« (Kirkus Reviews, s. Quellen). Er war Mitglied der Schriftstellergruppe Shinkankaku-ha, übersetzt in etwa ›Schule der neuen Sensibilität‹. Die Gruppe hatte 18 Mitglieder.

Quelle: Inagaki Taruho

Kajii Motojiro

1901 – 1932 : Kajii Motojiro war ein japanischer Schriftsteller und gilt als Meister der japanischen Kurzgeschichte. — Erwähnung auf Seite 51.

Geboren 17. Februar 1901 in der Präfektur Osaka; gestorben 24. März 1932. Zu Lebzeiten kaum bekannt, gilt er heute als Meister der japanischen Kurzgeschichte. Von ihm ins Deutsche übersetzt sind »Die Zitrone« (1986), »Vergangen« und »Landschaften einer Seele« (1998), »Unter den Kirschbäumen« (2012, Link) und »Bildrolle der Finsternis« (2023). Einer englischen Übersetzung von »Landschaften einer Seele« unter dem Titel »An Inner Landscape« von User tonygonz (Link) entnahm ich diese abweichende Übersetzung des im Buch auf Seite 51 erwähnten Ausschnitts: »Ah, dieses Gefühl... denkt Takashi. Nur zu schauen, das ist auch etwas. Ich kann einen Teil, vielleicht sogar meine ganze Seele in ein Ding verwandeln.« (Quelle: tonygonz) Das klingt etwas anders, als der Text im Buch, wo es heißt: »Sehen. Was bedeutet das? Es bedeutet, mit einem Teil, vielleicht sogar der ganzen Seele Besitz von etwas zu ergreifen.« Die eigene Seele in ein Ding verwandeln oder mit der ganzen Seele Besitz von etwas ergreifen. Besitz ergreifen bedeutet, es sich ganz und gar zu eigen machen, es zu seinem Inventar hinzuzufügen, zum Eigentum. Sich in etwas zu verwandeln, bedeutet es zu sein, sich selbst aber womöglich dafür aufzugeben. — An anderer Stelle der oben erwähnten Übersetzung heißt es: »Seine Gedanken werden allmählich klarer, wie eine Silhouette, die aus einem dichten Nebel auftaucht. Die Szenerie, die sich vor seinen Augen auflöst und verdichtet, kommt ihm mal völlig vertraut, mal völlig unbekannt vor. Dann ist ein bestimmter Punkt erreicht, an dem Takashi nicht mehr zwischen seinen Gedanken und der nächtlichen Stadt unterscheiden kann. Seine Melancholie und der Oleander in der Dunkelheit sind eins. Eine unsichtbare elektrische Lampe zeichnet eine Erdmauer nach, deren Schatten mit der Dunkelheit verschmilzt, und dort nimmt auch seine Resignation feste Gestalt an. Takashi glaubt, dass seine innere Landschaft genau dort liegt.« (Übersetzung ins Englische: User tonygonz, ins Deutsche ich, Link zum japanischen Original

Quelle: Kajii Motojiro

Kinoshita Naoe

1869 – 1937 : Kinoshita Naoe war ein japanischer Schriftsteller, Sozialist und christlicher Pazifist. — Erwähnung auf Seite 72.

Geboren 12. Oktober 1869 (traditionell: Meiji 2/9/8) in Matsumoto und gestorben 5. November 1937. Kinoshita war wegen seiner Unterstützung der Frauenrechtsbewegung im Gefängnis. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der rasch verbotenen Sozialdemokratischen Partei in Japan. Kinoshita war auch maßgeblich an der Abschaffung der zugelassenen Prostitution in Japan beteiligt. Ab 1910 widmete er sich zwei Jahrzehnte lang der Meditation im stillen Sitzen. Sein Antikriegsroman »Pillar of Fire« wurde 1910 von der Regierung verboten und liegt erst seit 1972 in englischer Übersetzung vor. Im Buch »Die Tage in der Buchhandlung Morisaki« stammt das Zitat »Ein Boot, das sich der Strömung überlässt, fährt leicht und unbeschwert dahin.« (Seite 72) von Kinoshita Naoe. Eine Quelle dafür ließ sich nicht finden. Aus Pillar of Fire scheint es nicht zu stammen.

Quelle: Kinoshita Naoe

Mori Ogai

1862 – 1922 : Mori Ogai war ein japanischer Militärarzt, Dichter, Tagebuchschreiber und bedeutender Übersetzer deutscher Literatur. — Erwähnung auf Seite 23.

Geboren als Mori Rintaro am 17. Februar 1862 in Tsuwano; gestorben 9. Juli 1922 in Tokio. Ogai („Möwenfern“) ist sein Schriftstellername, den er mit Unterbrechungen von 1885 bis 1913 verwendete. Sein Familienname ist Mori, sein bürgerlicher Vorname Rintaro. Er war Sohn der Mori Mineko, Ehefrau des fürstlichen Leibarztes Mori Shizuo. Er studierte von 1884 bis 1888 als Regierungsstipendiat Hygiene und Heeressanitätswesen in Leipzig, Dresden, München und Berlin. Daneben beschäftigte er sich intensiv mit europäischer Literatur, Religion, Philosophie, Musik und Kunst. Einen lebendigen Eindruck dieser Zeit vermittelt sein Deutsches Tagebuch (Konkursbuchverlag, 2019). Er war ein bedeutender Übersetzer deutscher Werke ins Japanische, darunter von Clausewitz, Goethe, Heine, E.T.A. Hoffmann, Ibsen, Kleist, Knigge, Camille Lemonnier, Lessing, Schiller, Strindberg und vielen anderen. Seine Faust-Übersetzung von 1913 hat bis heute Bestand. Bruno Lewin (Link) schreibt, daß »die deutsche Ästhetik seit Ende des 19. Jhs. in relativer Breite und mit zeitgenössischen Vertretern in Japan vorgestellt worden ist, verdankt sie bekanntlich in hohem Maße Mori Ögai (...)« (S. 271), von Oktober 1882 bis Juni 1895 veröffentlichte er seine »Erörterungen zur Untersuchung des Schönen«, eine Übersetzung der ersten 59 Seiten der »Philosophie des Schönen« des deutschen Philosophen Eduard von Hartmann. Lewin später im Manuskript: »Überhaupt zeichnen sich Ögais Beiträge dadurch aus, daß sie den neuesten Stand der deutschen Ästhetik in Japan publik zu machen versuchten, und dies gerade zu einer Zeit, als er selbst fernab vom wissenschaftlichen und literarischen Getriebe leben mußte. (...) Doch anders als manche Zeitgenossen, (...) hat Ögai kein eigenes Werk zur Ästhetik geschaffen, sondern die deutschen Ästhetiker für sich sprechen lassen« (S. 292ff) Die im Buch erwähnte Erzählung, die in dem Buchhandelsviertel »Jinbocho« spielen soll, konnte ich nicht finden. Erwähnenswert: Mori Ogai übersetzte Hans Christian Andersens autobiografischen Roman »Der Improvisator« (1835), eine an poetischer Stimmung reichen Liebesgeschichte (Quelle: Wikipedia) über einen italienischen Waisenjungen, der eine lange Bildungsreise Andersons durch Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Italien vorangegangen war.

Quelle: Mori ?gai

Muro Saisei

1889 – 1962 : MuroSaisei war ein ausgezeichneter japanischer Lyriker, Erzähler und Romancier. — Erwähnung auf Seite 47.

Geboren 1. August 1889 in Kanazawa, Präfektur Ishikawa; gestorben 26. März 1962 in Tokio. In seiner Jugend arbeitete er als Laufbursche an einem Distrikt-Gerichtshof. Sein Vorgesetzter, der nebenbei im Schreiben von Haiku unterrichtete, führt ihn in die Literatur ein. 1916 gründete er zusammen mit Hagiwara Sakutaro die Lyrikzeitschrift Kanjo. Nach seiner Heirat 1918 kam Muro in Kontakt mit Akutagawa Ryunosuke (siehe oben) unter dessen Einfluss er lyrische, autobiografische Novellen zu schreiben begann. Werke aus dieser Zeit sind »Aus meiner Kindheit« (Yonen no jidai), »Als ich zum Sex erwachte« (Sei ni mezameru koro) und »Bis zum Tod eines Mädchens« (Siehe Seite 47) (Aru shojo no shi made). Sie alle erschienen 1919. Muros längste Erzählung, „Aprikosenmädchen“ (Anzukko) wurde 1958 mit dem Yomiuri-Preis ausgezeichnet. Im Roman geht es um die schwierige Ehe der Tochter eines erfolgreichen Schriftstellers mit einem erfolglosen. Muro selbst wurde Mitglied des Komitees für den Akutagawa-Literatur-Preis und blieb dies bis 1942.

Quelle: Muro Saisei

Mushanokoji Saneatsu

1885 – 1976 : Mushanokoji Saneatsu war ein japanischer Schriftsteller und Maler und Sohn eines Vizegrafen. — Erwähnung auf Seite 134 und 181.

Geboren 12. Mai 1885 im Stadtteil Kojimachi von Tokio; gestorben 9. April 1976 in der Präfektur Tokio. Mushanokoji Saneatsu war ein japanischer Schriftsteller und Maler und Sohn eines Vizegrafen. Seine Familie gehörte zum Hochadel, sein älterer Bruder war später Botschafter Japans in Schweden. 1907 gründete er gemeinsam mit Shiga Naoya, Kinoshita Rigen, Ogimachi Kinkazu eine Gruppe, die er „Gesellschaft des 14. Tages“ (Juyokkakai) nannte. Diese Gruppe war die Keimzelle der Bewegung Shirakaba-ha, die die wichtige Literaturzeitschrift Shirakaba ›Weiße Birke‹ herausgab. Nach den Ideen Tolstois gründete er 1918 in Hyuga die landwirtschaftliche Kommune Atarashiki Mura, der er bis 1928 angehörte und die bis heute existiert. Nach dem großen Kanto-Erdbeben von 1923 kehrte Mushanokoji nach Tokio zurück, um eine Kunstgalerie zu leiten, und begann, seine eigenen Gemälde zu verkaufen, vor allem Stillleben, die Kürbisse und anderes Gemüse darstellten. Der im Buch erwähnte Roman ist »Freundschaft« (Yujo), geschrieben von 1919 - 1920; die englischsprachige Wikipedia schreibt zum Buch, es würde den Sieg des Humanismus über das Ego darstellen. Das Buch taucht immer auf, wenn sich die Protagonistin mit dem ersehnten Freund Wada-san im Café trifft.

Quelle: Mushanokoji Saneatsu

Nagai Kafu

1879 – 1959 : Nagai Kafu war ein japanischer Erzähler, Dramatiker, Essayist und Verfasser von Tagebüchern. — Erwähnung auf Seite 50.

Geboren 3. Dezember 1879 in Tokio, gestorben 30. April 1959 in Ichikawa. Als Sohn einer wohlhabenden Tokioter Kaufmannsfamilie – sein Vater stammte aus einer Samurai-Familie – studierte Nagai ab 1896 klassische japanische Literatur und Chinesisch. Ab 1903 reiste er quer durch die USA und fing 1905 an, als Angestellter einer Bank zu arbeiten. Nach einer Reise über Europa kehrte er 1907 nach Japan zurück. Unter dem Einfluss von Guy de Maupassant und Alfred de Musset entstanden zwei Bände mit Kurzgeschichten und Skizzen. Er schrieb Novellen, Erzählungen, Essays und exzessiv Tagebücher. Nagai Kafu folgte der tausendjährigen japanischen Tradition des Tagebuchschreibens und gehört nun zu den größten Tagebuchschreibern des 20. Jahrhunderts. Täglich unternahm er als literarischer Fremder in seiner Heimatstadt Streifzüge durch Tokio und notierte seine Beobachtungen. Nagais großes Thema war die sich wandelnde Stadt der Moderne, die Sehnsucht nach dem Edo, dem Tokio der Vergangenheit. In Deutsch erscheinen bereits ab 1964 Werke von ihm, darunter »Ihr Geliebter« (erschienen 1964), »Geliebtes Gesicht« (erschienen 1972), »Tagebuch. Das Jahr 1937« (erschienen 2003) und »Die Wüste« (erschienen 2020 in Hefte für Ostasiatische Literatur). Die Neue Züricher Zeitung würdigte Nagai als »Ästhetizist im Widerstand« und Vermittler der westlichen literarischen Moderne nach Japan (NZZ, 19. 03. 2005). Ebenfalls zum Tagebuch schrieb die FAZ vom 12. 03. 2004, der Blick auf die Strassen Tokios sei der Blick »eines melancholischen Moralisten, der Japans ›Tanz auf dem Vulkan‹ archiviert.« (FAZ, 12. 03. 2004)

Quelle: Nagai Kafu

Ozaki Kazuo

1899 – 1983 : Ozaki Kazuo war ein Schriftsteller aus der Präfektur Kanagawa, der an der Waseda-Universität studierte. — Erwähnung auf Seite 88.

Geboren am 25. Dezember 1899, gestorben 31. März 1983. Er studierte bei Shiga Naoya (siehe unten) und veröffentlichte sein erstes Werk, Nigatsu no mitsubachi (Februarbienen, 1925) in der Literaturzeitschrift Shucho (Moderne Trends). Ozaki Kazuo gewann den nach Akutagawa Ryunosuke (siehe oben) benannten Preis 1937 mit dem autobiografischen Werk »Nobuki megane« (Die rosarote Brille) von 1933. Für den 1961 erschienenen Roman Maboroshi no ki – etwa „Notizen zu einem Trugbild“ – erhielt er 1963 den Noma-Literaturpreis. Nach einer schweren Krankheit vertiefte er während seiner Genesung seine Beobachtungen der Natur und der Lebewesen und veröffentlichte hochgelobte Romane über den Seelenzustand der ihm Nahestehenden im Angesicht des Todes. Er war einer der führenden privaten Schriftsteller der Showa-Periode (1926 – 1989), und seine Werke wie „Verschiedene Insekten“ und „Ein Blick von einem schönen Friedhof“ sind nicht nur durch den Autor selbst bekannt, sondern gelten auch als repräsentative Romane über seine Geisteshaltung.

Quelle: Ozaki Kazuo

Sato Haruo

1892 – 1964 : Sato Haruo war ein japanischer Lyriker, Erzähler und Essayist. — Erwähnung auf Seite 88.

Geboren 9. April 1892 in Shingu, Präfektur Wakayama; gestorben 6. Mai 1964 in Tokyo). Er entstammte einer Ärztefamilie und trat früh dem Dichterkreis Myojo um Yosano Akiko und ihrem Mann Tekkan bei. Wie auch der Dichterkreis war sein Werk schon früh vom lyrisch-romantischen Ton bestimmt. Erste Anerkennung fand er mit seiner märchenhaften Erzählung Supein inu no ie (1916 „Das Haus eines Neufundländers“). Satos Schaffen kreist im Wesentlichen um den Bereich des Privaten und um den Lebensüberdruss von Intellektuellen. Von Sato liegen keine übersetzten Werke vor.

Quelle: Sato Haruo

Shiga Naoya

1883 – 1971 : Shiga Naoya war einer der bedeutendsten japanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und Mitbegründer der Künstlergesellschaft und Bewegung Shirakaba-ha. Er gilt als Meister der japanischen Kurzprosa. — Erwähnung auf Seite 28.

Geboren am 20. Februar 1883 in Ishinomaki in der japanischen Präfektur Miyagi;, gestorben 21. Oktober 1971 in Atami in der japanischen Präfektur Shizuoka. Shiga Naoya gehörte als Gründungsmitglied zu der 1910 gegründeten, sich um den bedeutenden japanischen Schriftsteller Soseki Natsume scharenden Künstlergesellschaft und Bewegung Shirakaba-ha, die die wichtige Literaturzeitschrift Shirakaba ›Weiße Birke‹ herausgab .Die Bewegung lehnte dem Konfuzianismus und die Beschränkung der Kunst auf traditionelle japanische Literatur- und Kunststile ab. Shigas gesamtes Werk sei von den Beziehungen zwischen Individuen und zwischen Mensch und Natur geprägt, der Autor David Flenner hebt die Einfachheit der Syntax als eine ihrer Tugenden hervor. Das Shiga im Westen lange unbekannt blieb, so Flenner weiter, mag daran liegen, dass sein »sorgfältiger Gebrauch der japanischen Sprache (...) alle Nuancen und Schattierungen» ausschöpft, mit »der Bedeutung, die ihm zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund ist sein Schreibstil so unverwechselbar japanisch, dass er nur schwer effektiv zu übersetzen ist.« (Flenner, A Critical Study of Shiga Naoya, and a Translation, 2011) Auch Stephen W. Kohl hebt in seinem Essay »Shiga Naoya and the Literature of Experience« hervor, dass Shiga Naoya nicht nur ein schwer übersetzbarer Autor sei, auf ihn träfe auch zu, seine »Gedanken und Sichtweisen« seien »so sehr auf sein heimisches Publikum ausgerichtet, dass sie andere Völker nicht ansprechen.« (Stephen W. Kohl, Shiga Naoya and the Literature of Experience, 1977) Einige seiner Werke liegen in deutscher Übersetzung vor: »Das Rasiermesser – Kamisori« oder »Das Verbrechen des Han – Han no hanzai«, im Band »Erinnerung an Yamashina« (Volk & Welt 1986) sind viele Erzählungen Shiga Naoyas gesammelt.

Quelle: Shiga Naoya

Taneda Santoka

Taneda Santoka war ein japanischer Haiku-Dichter der Meiji-, Taisho- und frühen Showa-Zeit. Er ist einer der bekanntesten Vertreter des freien Haiku. — Erwähnung auf Seite 45.

Geboren am 3. Dezember 1882 in Nishisabarei (heute: Hofu), gestorben am 11. Oktober 1940 in Matsuyama). Er war Sohn eines Großgrund- und Sake-Brauereibesitzers in dem Dorf Nishisabarei. Die Familienbrauerei ging wegen des ausschweifenden Lebensstiles des Vaters bankrott. , woraufhin Santoka mit Frau und Kind nach Kumamoto umzog. Nachdem ihm dort jedoch die Arbeit in einem Buchantiquariat nicht gut gelungen war, folgte 1920 die Scheidung, wonach er allein nach Tokyo ausriss. 1924 erhielt er die Priesterweihe und nannte sich Koho. 1925 verließ er den Tempel und verfasste, im Priesterkleid durch den Westen Japans reisend, Haiku. »Beeinflusst wurde er von Ogiwara Seisensui, einem Haiku-Dichter und Zeitgenossen, der 1911 die avantgardistische Literaturzeitschrift Soun („Layered Clouds“) mitbegründete. Santoka war Redakteur der Zeitschrift und schrieb Beiträge für sie.« (Scharper, Diane: The Life and Zen Haiku Poetry of Santoka Taneda, 2021) Im Buch zitiert ist das Haiku

Der Wald bleibt grün,
egal wie weit du hineingehst.

Zahlreiche Sammlungen seiner Haiku sind auf deutsch erschienen, zum Beispiel »Auch ich bin allein. Haiku.« 2014, »Santoka - Haiku, Wandern, Sake« 1996,»Kiefernwind und grüne Berge. Der Wandermönch Sant?ka und die Freie Form« 2011, oder »Der Wandermönch« 2015. Noch ein paar Beispiele:

Der Wind in den Kiefern,
am Morgen, am Abend
trägt er den Klang der Tempelglocken.

Liegt Frieden auf den Bergen,
nehme ich meinen Strohhut ab.

Die wandernden Wolken
und der Glanz des Tempels
spiegeln das Wasser.

Quelle: http://www.luxautumnalis.de/santoka-taneda/

Taneda Santoka

Tanizaki Jun’ichiro

1886 – 1965 : Tanizaki Jun’ichiro war ein japanischer Schriftsteller und bedeutender Vertreter des Ästhetizismus. — Erwähnung auf Seite 23 und Seite 50.

Tanizakis Eltern stammten beide aus alten japanischen Kaufmannsfamilien. Im Alter von 23 Jahren begann Tanizakis erstaunliche literarische Laufbahn. Bekannt wurde er durch die Veröffentlichung der Kurzgeschichte Shisei (Der Tätowierer, 1910). In der Erzählung lässt ein Tätowierer einer schönen jungen Frau eine riesige Spinne auf den Körper stechen. Danach erhält die Schönheit der Frau eine dämonische, zwingende Kraft, in der sich Erotik mit Sadomasochismus verbindet. »Bereits in dieser Erzählung entfaltet Tanizaki eine Thematik, die leitmotivisch für sein Schaffen ist: das subtile Machtspiel des Herrschens und Beherrschtwerdens, die wechselseitigen Verstrickungen des Begehrens bis hin zur Hörigkeit. Tanizaki schöpft dazu die Vielseitigkeit und die Homophonie der japanischen Sprache meisterhaft zur Verdichtung von Anspielungen und zur Erzeugung vielschichtiger Assoziationen aus. Diese sprachliche Raffinesse macht ihn für jeden Übersetzer zugleich zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Die Kombination aus idealisierter Schönheit und physischer Grausamkeit haben Tanizaki auch das Attribut des Diabolischen eingetragen.« (Quelle: Wikipedia)

In jungen Jahren begeisterte er sich für den Westen und für alles, was modern war. 1922 zog er von Odawara nach Yokohama, wo viele Einwanderer lebten. Zwischenzeitlich arbeitete er als Drehbuchautor für das Filmstudio Taikatsu. Die 30er Jahre hingegen sind geprägt von der Suche nach der genuin japanischen Tradition. Dies erfährt besonders in Essays wie »Lob des Schattens« seinen Ausdruck, in dem er von den Vorzügen des Halbdunklen, des Wolkigen, traditioneller Beleuchtung und des zwielichtig Diffusen schwärmt.

Tanizaki war zeit seines Lebens ein ausgesprochen produktiver Schriftsteller: Er veröffentlichte 119 Werke, bereits 1921 erschien eine erste Gesamtausgabe seiner Werke in fünf Bänden.

Für seinen großen sich über einen weiten zeitlichen Rahmen erstreckenden Roman um die vier Makioka-Schwestern, im Original Sasameyuki (eigentlich »Ein leichter Schneefall«) erhielt Tanizaki sowohl den Mainichi-Kulturpreis (1947) wie auch den Asahi-Preis (1948). Zahlreiche seiner Werke sind in die deutsche Sprache übersetzt, darunter viele seiner Essays, zum Beispiel »Liebe und Sinnlichkeit« und »Lob des Schattens« und »Lob der Meisterschaft«. (Zu Lob des Schattens siehe meinen Newsletter »Briefe an Irene« von November 2024.). Rowohlt brachte bereits 1964 »Die Schwestern Marioka« heraus, ebenfalls bei Rowohlt erschien 1961 noch zu Lebzeiten Tanizakis »Der Schlüssel«, 1966 »Tagebuch eines alten Narren«, das neu übersetzt 2018 unter dem Titel »Die Fußspur Buddhas« erschien. Bekannte Übersetzer sind Josef Bohaczek und Sachiko Yatsushiro. Nach Tanizaki ist der Tanizaki-Preis benannt, einer der begehrtesten Literaturpreise Japans. Er wurde 1965 vom Verlag Chuo Koronsha ins Leben gerufen und wird jährlich für ein belletristisches oder dramatisches Werk verliehen.

Tanizaki Jun’ichiro

Uno Koji

Uno Koji war ein japanischer Schriftsteller und Kurzgeschichtenautor. — Erwähnung auf Seite 50.

Geboren am 26. Juli 1891 in Fukuoka, gestorben 21. September 1961. Uno wurde in Fukuoka als Sohn von Eltern mit Samurai-Herkunft geboren. Sein Großvater war Polizeihauptmann und sein Vater Lehrer. Nach dem Tod seines Vaters, als Uno vier Jahre alt war, verlor seine Familie ihre gesamten Ersparnisse durch Börsenspekulationen. Als Uno acht Jahre alt war, wurde er zu seiner Großmutter und einem Onkel in Soemoncho geschickt, da seine Mutter Kellnerin wurde. Dort lebte er neben dem Vergnügungsviertel Dotonbori unter Geishas, Prostituierten, Perückenmachern und Glücksspielern, während er von 1899 bis 1901 die Rikugun-Grundschule besuchte. Er besuchte die Tennoji-Mittelschule, wo er Englisch lesen lernte und eine Vorliebe für die Romane von Nikolai Gogol entwickelte. 1910 zog er nach Tokio, um an der Waseda-Universität englische Literatur zu studieren, wo er symbolistische Gedichte und russische Modernisten wie Leonid Andrejew, Michail Artsybaschew, Konstantin Balmont, Alexander Kuprin, Fjodor Sologub und Boris Konstantinowitsch Zajtsew las. Im Alter von 28 Jahren veröffentlichte Uno sein erstes größeres Werk, „Im Lagerhaus“, dessen umgangssprachlicher und ironischer Stil als „flippig“ und „populär“ kritisiert wurde. Für seinen 1948 erschienenen Roman Omoigawa (Fluss der Gedanken) erhielt er 1950 den Yomiuri-Preis, und für seine 1951 erschienene kritische Biografie des Schriftstellers Ryonosuke Akutagawa wurde er hoch gelobt. Uno starb mit 70 Jahren an Lungentuberkulose.

Uno Koji

Die westlichen Autoren

Interessant bei den westlichen Autoren ist, dass sich ihre Lebensdaten mit denen der japanischen Frühmoderne überschneiden. Der Grund ihrer Nennung liegt für mich noch im Zwielicht.

William Faulkner

William Cuthbert Faulkner war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Faulkner, der 1950 den Nobelpreis für Literatur nachträglich für das Jahr 1949 erhielt, gilt als bedeutendster US-amerikanischer Romancier des 20. Jahrhunderts. — Erwähnung auf Seite 64.

Geboren am 25. September 1897 in New Albany, Union County, Mississippi; gestorben am 6. Juli 1962 in Byhalia, Mississippi. Sein vielschichtiges Gesamtwerk gibt unter anderem „den geistig-kulturellen Untergang des Südens sowie den wachsenden Einfluss skrupelloser Aufsteiger nach dem Bürgerkrieg wieder“, ebenso die Dekadenz ehemals angesehener Südstaatenfamilien und die Gegensätze zwischen weißen und schwarzen Einwohnern. Die meisten seiner Romane und Kurzgeschichten spielen in dem fiktiven Yoknapatawpha County, das von seinem realen Wohnsitz, dem Lafayette County, inspiriert wurde. Faulkner zeichnet sich literarisch durch universelle Symbolik und anspruchsvolle Erzähltechniken wie den Bewusstseinsstrom aus, die er von europäischen Romanciers wie James Joyce, Marcel Proust und Virginia Woolf aufgriff und selbstständig verarbeitete. Erst mit dem Literaturnobelpreis erlangte Faulkner finanzielle Unabhängigkeit und allgemeine Bekanntheit. Er wurde 1951 (für The Collected Stories of William Faulkner) und 1955 (für Eine Legende) mit dem National Book Award und 1955 (für Eine Legende) und posthum 1963 (für Die Spitzbuben) mit dem Pulitzer-Preis für Belletristik ausgezeichnet. Ferner wurde ihm zweimal der O.-Henry-Preis für Kurzgeschichten verliehen, 1939 für »Brandstifter« und 1949 für »Eine Werbung«. Faulkners Werke sind geprägt durch komplexe Konstruktionen, etwa wechselnde Erzählperspektiven und durch einen nichtchronologischen Handlungsablauf. Er verwendet die Technik des Bewusstseinsstroms. Die Sätze sind oft verschachtelt und zeigen eine sorgfältige, oft unkonventionelle Beachtung von Diktion und Sprachrhythmus. Diese Stilmittel verbindet er mit einer emotionalen, oft auch ironisch oder tragikomisch gefärbten Darstellung der Geschichte des Südens der USA, die weit in die Vergangenheit zurückreicht – exemplarisch dargestellt am Beispiel eines Countys. Zahlreiche seiner Romanfiguren tauchen in unterschiedlichen Werken auf, so dass seine Romane und Erzählungen, die im Yoknapatawpha County spielen, sowohl hinsichtlich der dargestellten Geschehnisse als auch der darin beschriebenen Figuren eine dichte Beschreibung dieses Landstrichs darstellen, die in der Weltliteratur einmalig ist.

William Faulkner

Hans Christian Anderson

Hans Christian Andersen, der sich als Künstler zeitlebens nur H. C. Andersen nannte, ist der bekannteste Dichter und Schriftsteller Dänemarks. — Erwähnung auf Seite S. 71.

Geboren am 2. April 1805 in Odense; gestorben am 4. August 1875 in Kopenhagen). Anderson, der sich als Künstler zeitlebens nur H. C. Andersen nannte, ist der bekannteste Dichter und Schriftsteller Dänemarks. In seinen Überarbeitungen und Verarbeitungen bekannter Volkssagen schuf Anderson die bedeutendsten Kunstmärchen des Biedermeier. Weltberühmt wurde er durch seine zahlreichen Märchen, unter anderen ›Däumelinchen‹, ›Des Kaisers neue Kleider‹, ›Die kleine Meerjungfrau‹, ›Die Prinzessin auf der Erbse‹, ›Der standhafte Zinnsoldat‹, ›Das hässliche Entlein‹ und ›Die Schneekönigin.‹ Obwohl Anderson über 150 Märchen schrieb, wollte er nie auf seine Rolle als Märchenerzähler für Kinder reduziert werden. Viele seiner Geschichten enthalten satirische Merkmale, die nur von Erwachsenen in ihrer ganzen Bedeutung als Gesellschaftskritik verstanden werden können. Unbekannt sind seine Arbeiten als Romanautor, um hier einmal »Der Improvisator« (1835), der im Zusammenhang mit seinen Italienreisen entstand, und »Die beiden Baroninnen« (1848), eine Findelkind und Waisengeschichte an authentischen Schauplätzen erzählt, zu nennen. Es war der im Buch genannte Mori Ogai, der Hans Christian Andersens autobiografischen Roman »Der Improvisator« (1835) übersetzte, eine an poetischer Stimmung reichen Liebesgeschichte (Quelle: Wikipedia) über einen italienischen Waisenjungen, der eine lange Bildungsreise Andersons durch Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Italien vorangegangen war. Zu »Die beiden Baroninnen« schreibt der Verlag: »Ein Großteil des Geschehens spielt auf Hallig Oland. Thematisch und gestalterisch äußerst ungewöhnlich für die damalige Zeit war in der Romanliteratur die Beschreibung der Halligwelt, die das Leben Elisabeths in entscheidender Weise prägt. In ihr entfaltet sich in elementarer Weise der natürliche Realismus im Romanschaffen Andersens, was wegen der Aufmerksamkeit, die er als Märchendichter erlangte, lange Zeit unbeachtet blieb.« (Quelle: Verlagsgruppe Husum).

Truman Capote

Truman Capote, geboren als Truman Streckfus Persons, war ein US-amerikanischer Schriftsteller, Schauspieler und Drehbuchautor.

Geboren am 30. September 1924 in New Orleans; gestorben 25. August 1984 in Los Angeles. Er wurde ab Mitte der 1940er-Jahre als Autor von preisgekrönten Kurzgeschichten bekannt, außerdem durch Romane wie »Andere Stimmen, andere Räume« (1948), »Die Grasharfe« (1951) »Frühstück bei Tiffany« (1958). Zu einem der bekanntesten Schriftsteller der USA stieg er durch den 1965 erschienenen Tatsachenroman »Kaltblütig« auf, der den New Journalism sowie spätere nichtfiktionale Romane maßgeblich beeinflusste. Capote wuchs als Folge der Scheidung seiner Eltern bei seiner Großmutter in Monroeville in Alabamma auf. Als seine Mutter erneut heiratete, übersiedelte er mit ihr 1934 im Alter von 10 Jahren nach New York. Mit 18 Jahren arbeitete er bereits als Redaktionsgehilfe für den New Yorker, mit gerade einmal 23 Jahren veröffentlichte er 1948 den Roman »Other Voices, Other Rooms« (Andere Stimmen, andere Räume), eine literarische Sensation und war laut Wikipedia das meistdiskutierte Buch des Jahres 1948. Um dies zeitlich einzuordnen: zwei Jahre später erhielt William Faulkner für sein Werk »« rückwirkend für das Jahr 1948 den Literaturnobelpreis. Mit seinem Werk »Kaltblütig« (1966) über einen Vierfachmord in Kansas erschuf Capote den ›New Journalism‹ mit – ein Stil der subjektiver und literarischer erzählte, aber trotzdem faktengetreu blieb. Alexander Grau schreibt in Cicero: »Es war etwas vollkommen Neues, ein nichtfiktionaler Roman, eine literarische Reportage, der Nachweis, dass eine Tatsachenbeschreibung genauso fesselnd und literarisch sein kann wie ein rein fiktionaler Text. Capote war es gelungen, die Grenzen der Genres aufzuheben. Damit wurde er nicht nur zum Begründer des „New Journalism“, sondern auch einer neuen Art des Schreibens.« Das Buch wurde ein Riesenerfolg, überforderte ihn aber menschlich. Grau weiter über Capote: »Das wirkliche Genie Capotes zeigt sich jedoch in seinen Reportagen und Portraits, die er über die Jahrzehnte für unterschiedliche Magazine verfasst hat. Wie er hier sprachlich und formal mit literarischen und journalistischen Gattungen spielt, ist bis heute unerreicht. Man lese als Beispiel das wunderbare Portrait Marlon Brandos. (...) Seine Art, die Realität mit den Mitteln verspielter Subjektivität einzufangen und das Besondere im scheinbar Belanglosen zu finden, ist unerreicht.«

Truman Capote

John Updike

John Hoyer Updike war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Autor zahlreicher Kurzgeschichten und Gedichte.

Geboren am 18. März 1932 in Reading, Pennsylvania; gestorben am 27. Januar 2009 in Danvers, Massachusetts. »John Updike wurde als einziger Sohn des Lehrers Wesley Russell Updike (1900–1972) und dessen Frau Linda Grace Hoyer (1904–1989) im Reading Hospital, West Reading in Pennsylvania geboren und wuchs bis zu seinem 13. Lebensjahr in dem nahegelegenen Shillington auf einer abgelegenen Farm in ärmlichen Verhältnissen auf. Seit 1938 litt er lebenslang unter Psoriasis, außerdem stotterte er. Seine Mutter, die selber literarische Ambitionen hatte, ermutigte ihn zu schreiben. (...) Berühmt wurde Updike mit der ›Rabbit Reihe‹; die Bände der Reihe erschienen im Abstand von je fast genau zehn Jahren und schildern in entsprechenden Zeitabständen das Leben ihres Protagonisten Harry „Rabbit“ Angstrom, der an der Highschool ein Basketball-Star war und den Verlust dieses vergangenen Ruhms nie überwinden kann.« Vier seiner Bücher wurden verfilmt, darunter vielleicht die bekannteste Verfilmung dürfte die Hexen von Eastwick (2004) sein.

Es scheint allerdings ein aktueller Trend bei vielen Verlagslektoren zu sein, japanische Texte in das zu einfachem Geplauder reduzierte Allerweltsdeutsch des Content-Markts zu überführen, um so ein Arsenal leicht konsumierbarer „Weltliteratur“ zusammenzustellen.

Lisette Gebhardt in literaturkritik.de [7]
Beklagenswert fern jeder literarischen Anmutung

Rezensionen

»Es ist ein Roman, und wenn man einen Roman beendet hat, ist das, was darin passiert, von geringer Bedeutung und schnell vergessen. Worauf es ankommt, sind die Möglichkeiten und Ideen, die uns die imaginäre Handlung des Romans vermittelt und die wir in uns aufnehmen... «
https://litbooks.com.my/2023/06/03/lit-review-days-at-the-morisaki-bookshop-by-satoshi-yagisawa/ (Besucht am 22. 11. 2024)

Lisette Gebhardt schreibt in literaturkritik.de
»Für einen Text, der das Literarische empfiehlt, das sei abschließend noch angemerkt, ist die Sprache der deutschen Übersetzung beklagenswert fern jeder literarischen Anmutung. Sie erweist sich als einigermaßen seicht, durchzogen von abgegriffenen Wendungen: „Krass“, „klitschnass“, „schieß los“ oder „wow“. Es scheint allerdings ein aktueller Trend bei vielen Verlagslektoren zu sein, japanische Texte in das zu einfachem Geplauder reduzierte Allerweltsdeutsch des Content-Markts zu überführen, um so ein Arsenal leicht konsumierbarer „Weltliteratur“ zusammenzustellen.«
https://literaturkritik.de/yagisawa-die-tage-in-der-buchhandlung-morisaki-bibliophile-sensibilitaet,29697.html (Besucht am 22. 11. 2024)

Dagegen schreibt die FAZ
» In diesem Roman gibt es alles, was man zum Wohlfühlen braucht, findet sie: Bücher-Nostalgie, schrullige Charaktere, ein paar pointierte Zitate aus den gelesenen Bänden. Die Übersetzung von Ute Enders versetzt die Rezensentin geradezu in Staunen, so sprachlich klug und experimentierfreudig wurde hier der japanische Text ins Deutsche übertragen.«
https://www.buecher.de/artikel/buch/die-tage-in-der-buchhandlung-morisaki/66002587/#reviews (Besucht am 22. 11. 2024)

xxholidayxx schreibt auf vorablesen.de
»In Die Tage in der Buchhandlung Morisaki vermag Satoshi Yagisawa zwar eine stimmungsvolle Atmosphäre zu schaffen, jedoch bleibt die Geschichte insgesamt flach und erreicht nicht das Potenzial, das ich mir erhofft hatte.«
https://www.vorablesen.de/buecher/die-tage-in-der-buchhandlung-morisaki/rezensionen/ein-roman-der-dem-hype-nicht-gerecht-wird-und-hinter-den-erwartungen-zurueckbleibt

Fazit: Was Lisette Gebhardt einfaches Allerweltsdeutsch und Geplauder nennt, bezeichnet die FAZ als klug und experimentierfreudig. Ich mag mich zu Frau Gebhardt neigen, auch wenn ich den Ausgangsstoff nicht beurteilen kann.

tl, dr;

Kommentare (1)

  1. Extractionxtg 03. März 2025

    or their samples written


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