Reisebericht über unsere 12-tägige, wunderschöne Radtour im September 2022. Wir radelten von Koblenz am Rhein die Mosel hinauf und folgten schließlich dem noch relativ neuen Radweg La Voie Bleue entlang von Kanälen und der Saône bis nach Dijon.

Das Bouillion Notre Dame in Dijon
Noch zur letzten Google-Street-View-Aufnahme fuhren an der Straßenecke zur Rue Musette noch Autos und das Restaurant war noch eine florierende Apotheke. Dieser romantische Anblick an der Straßenecke steht für vieles, was ich an Frankreich, ganz besonders aber an Dijon so liebe.
Foto: Thomas Schürmann, Samsung Galaxy S7, 12. September 2022
Nach unserer schönen, aber viel kürzeren Radtour rund um den Teutoburger Wald – entlang der Alme, Diemel, Weser und Werre bis nach Detmold (Spätsommerfreuden mit dem Rad) haben wir uns dieses Jahr wieder für eine Radtour entschieden. Unsere Freundin S. ist im Vorjahr den Voie Bleue von Schengen bis nach Lyon gefahren. Wir wussten, so weit würden wir nicht kommen, dafür hatten wir nicht genug Zeit. Die schöne Route des Voie Bleue haben wir - es klingt verrückt - indirekt den schwierigen Verhältnissen, genau gesagt dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 zu verdanken. Der Krieg von 1870 zwischen dem Norddeutschen Bund und dem Zweiten Französischen Kaiserreich hatte weitgehende Gebietsabtretungen Frankreichs an Deutschland zur Folge. Daraufhin drohten die Industriegebiete um Nancy und Toul vom Norden Frankreichs abgeklemmt zu werden. Als Folge wurde der Canal de l'Est mit seinem nördlichen Teil (heute Canal de la Meuse) und seinem südlichen Teil (Heute Canal des Vosges) von 1874 bis 1882 erbaut. Und ohne seinen südlichen Teil wäre eine durchgehende Verbindung von Schengen bis nach Nancy entlang von Wasserwegen nicht möglich.
Zu Anfang unserer Planungen dachten wir noch, wir starten in Aachen, um entlang der Vennbahn nach Luxemburg Stadt und weiter nach Schengen zu radeln. Meiner Frau war dies aber für die ersten Reisetage auf dem Zwischenstück Vennbahn bis Luxemburg zu hügelig. Und es zeigte sich, dass ein Start von Koblenz aus, die Weiterfahrt entlang der Mosel, gleich viel Tage dauern würde. Damit war klar, wir würden im Geburtsort von Valéry Giscard d'Estaing, in Koblenz starten.
Danach liebäugelten wir damit, unsere Reise von Dijon entlang der Doubs über Besançon nach Basel zu beenden, aber dafür hätten wir aber auf der gesamten Tour Tagesetappen von 80 bis 120 km fahren müssen, und nicht 60 bis 85 km, wir wir es schließlich taten.
Damit stand fest, wir fahren von Koblenz zum Voie Bleue, von Schengen bis nach Dijon, wie also aber nun von Dijon zurückkehren? Das Rad mit dem Zug mitzunehmen, das ist immer noch ein sehr unverbindliches, ungewisses Abenteuer, bei den begrenzten Plätzen in TGVs und ICEs. Deshalb entschieden wir uns unser Auto in Dijon abzustellen und mit diesem zurückzufahren. Keine gute Idee, wie sich am Ende der Reise herausstellte und weshalb auch ein Reisepost auf Instagram fehlte. Bei unserer Ankunft in Dijon entpuppte sich das Ende unseres wunderschöner Reise- und Fahrtages nach Dijon dann als richtiger Alptraum. Wie kam das Auto nach Dijon? Eine Woche vor unserem Urlaub besuchte ich Verwandte in Süddeutschland, fuhr mit dem Auto via Mulhouse nach Dijon und stellte das Auto unweit des Bahnhofs ab. Nie wieder. Dazu mehr am letzten Reisetag.
Corona und der generelle Niedergang der ländlichen Regionen
Die Folgen von fast drei Jahren Corona und einer verfehlten Politik in Europa zeigten sich auf unserer gesamten Reise deutlich. Corona, das haben wir an der Überlastung der Übernachtungsbetriebe gemerkt, am fehlenden Personal, daran, wie schwierig es in Pensionen und Hotels wurde, ein Zimmer nur für eine Nacht zu bekommen.
Aber es gibt noch eine andere verfehlte Politik, und diese zeigt sich in vielen Umständen. Die Zentralisierung des autozentrierten Lebensmitteleinkaufs - in kaum einem kleineren Ort entlang der Mosel bestehen Einkaufsmöglichkeiten. Bäckereien zum Beispiel - komplette Fehlanzeige. Dies gilt übrigens auch für Frankreich, vielleicht aber nicht in so einem starken Ausmaß. Auch Cafés sind absolute Mangelware geworden, dies ist uns wiederrum besonders in Frankreich aufgefallen. Die letzte politische Wahl in Frankreich hat gezeigt, dass ganz besonders in ländlichen Regionen rechts gewählt wird. Es ist kein Wunder, dass die Bevölkerung dort so leicht auf die braunen Rattenfänger hereinfällt, sind doch weite Teile der ländlichen Bevölkerung in Frankreich von der gewinnenden Wirtschaftsentwicklung der Metropolregionen vollständig abgekoppelt und bleiben in punkto Lebensstandard weit hinter den großen Städten zurück. Gewaltige Lücken zwischen Regionen klaffen im Wohlstand nicht nur in Frankreich und ich sehe keinen politischen Ansatz, der daran etwas schnell ändern könnte. Und weiteres wirtschaftliches Wachstum, vor allem unbegrenzt, erscheint mir angesichts der Lebensmittel-, Energie-, Wetter- und Klimakrisen auch kein Ausweg zu sein.
Besonders krass fällt der Unterschied auf dieser Radtour in Frankreich aus. Auf völlig verarmt erscheinende Orte wie Sierck-les-Bains oder Fontenoy-le-Château mit ihren aufgelassenen, unbewohnten Straßenzügen und folgen wunderschöne Städte wie Metz, Nancy oder später Dijon, in denen kontrastierend das blühende Leben zu herrschen scheint.
Dazu machte ich mir schon angesichts unserer Belgien-Reise eine Menge Gedanken. Was dem einen als Gewinn erscheint, billige Möbel von Ikea, günstiges Einkaufen beim Discounter, billige Klamotten aus China, ist dem anderen sein Elend. Möbel vom Schreiner, Schuhe vom Schuster, Klamotten von der Näherin, das sind alles unbezahlbare Luxusartikel geworden. Die Berufe, die Läden, sie sind alle — vielleicht — unwiderruflich dahin. Dieser Eindruck hat uns die ganze Reise über begleitet und trotz der wunderschönen Landschaft, dem Pittoresken, dem Dörflichen und dem großstädtischen Glanz lag diese, vielleicht sentimental anmutende Wehmut wie ein Schleier über unserem Glück.
Sich Zeit nehmen
Für wen ist der Voie Bleue etwas und warum lohnt sich die Tour?
Der Voie Bleue lohnt sich für Menschen, die Ruhe suchen. Wer erwartet, nach einem Tag des Radfahrens jeden Abend noch ein Kulturprogramm vorzufinden, liegt hier falsch. In Teilen der Strecke findet man sich allein mit der Natur wieder. Einkaufen, im Café sitzen, dies kann entlang der Route schon mal schwierig sein. Viele Orte wirken entvölkert, das kann schon mal sehr deprimieren. Belohnt wird man mit einer wunderschönen Natur – wer wie wir in Koblenz startet und weininteressiert ist, kann natürlich die Mosel und die vielen bekannten und unentdeckten Weingüter genießen. Auch rechts und links der Route gibt es viel zu entdecken.
Wer die am Voie Bleue liegenden Städte, bei uns auch Trier, dann aber Metz, Nancy und Lyon gemächlicher und mit mehr Zeit erkunden möchte – es lohnt sich – sollte jeweils einen Extra-Tag einplanen. In Trier ist es natürlich die lange, bis zu den Römern zurückreichende Geschichte, in Metz das wechselvolle Drama um die übergriffige, zweimalige Besetzung im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und im ersten Weltkrieg, die es sehr lohnenswert machen, sich dafür Zeit zu nehmen. In Nancy zahlt es sich augf jeden Fall aus, die Spur des Jugendstils aufzunehmen, wie nur in Paris und Brüssel hat dieser Kunst- und Architekturstil diese süßeste Stadt am Voie Bleue geprägt.
Nicht unterlassen möchte ich es zu erwähnen, dass es vom Voie Bleue auch nicht weit bis Épinal ist, dem Geburtsort von Émile Durkheim, einem der bedeutendsten europäischen Soziologen und Etnologen. Die Stadt an der Mosel ist über einen drei Kilometer langen Stichkanal an den Canal des Vosges angebunden. Lohnenswert in Épinal ist auch das Musée de l'image, das seit dem Erwerb der Sammlung von Henri George im Jahr 2010 über einen der interessantesten Bestände an populären Bildern in Europa verfügt.
Wo liegt der Voie Bleue, wie kommt man dorthin?
Ein paar Fakten zum Voie Bleue
Da ich nach der Veröffentlichung dieses Reiseberichtes gelegentlich darauf angesprochen wurde, habe ich noch ein paar wichtige Fakten in einem Extra-Block zusammengefasst.
Ein paar Fakten seien noch vorangestellt, vor allem weil wir den Voie Bleue nicht durchgefahren sind, sonden nur ein Teilstück – von Schengen bis kurz vor Dijon. Dafür sind wir in Koblenz gestartet und haben den vollständigen Unterlauf der schönen Mosel mitgenommen.
- Länge Voie Bleue Schengen - Lyon: 700 km
- Länge unserer Radtour Koblenz - Dijon: etwa 805 km
- Länge des Teilstücks Koblenz - Thionville: 278 km
- Fahrtage unserer Tour: 12
- 3630 Höhenmeter hinauf und 3453 Höhenmeter hinunter
- Website Voie Bleue: https://de.lavoiebleue.com/
- Website Moselradweg: https://www.visitmosel.de/
- Weiterfahrt ab Lyon über den Eurovelo 17 bis nach Marseille: Eurovelo 17
- Dijon - Basel: etwa 340 km auf dem Eurovelo 6
Die Höhenmeter klingen viel, der Voie Bleue ist allerdings gespürt so flach wie eine Radtour durchs Emsland. Diese Höhenmeter spielen sich in weiten Teilen der Streckenführung nur in Brückenauf- und abfahrten wieder. Erst zwischen Corre und Scey-sur-Saône-et-Saint-Albin und auf dem Abstecher nach Dijon macht der Voie Bleue spürbare Höhenmeter abseits der Flußufer.
Mit ihren fast ausnahmslos geringen Steigungen ist die Tour technisch anspruchslos, mit ihrem Verlauf abseits von Straßen auf Rad- und Treidelwegen auch für Familien und Senioren hervorragend geeignet. Sowohl der Moselradweg als auch der Voie Bleue sind sehr gut ausgeschildert. Unterkünfte sollten im Sommer weit voraus, im Herbst mindestens zwei Monate im vorhinein gebucht werden. Gute Anlaufstellen sind Booking.com und Airbnb als bekannte Vermittlungsplattformen.
Voie Bleue - wie hinkommen?
Der Voie Bleue startet in Schengen, wer mit dem Zug von Köln nach Schengen fahren möchte muss mit ca. 4 Stunden Reisezeit rechnen. Startet man wie wir von Koblenz, die Fahrtzeit von Köln nach Koblenz beträgt mit dem Regionalverkehr cirka 1 Stunde. Von Frankfurt ist man mit dem Zug in etwa 1 Stunde 30 Minuten in Koblenz.
Voie Bleue - wie zurückkommen?
Von Dijon fährt alle 2 Stunden ein TGV nach Basel Schweizer Bahnhof, von dort kann man mit dem Rad durch Basel zum Badischen Bahnhof fahren. Von hier geht es dann mit dem ICE bequem zurück, so man für die Fahrräder rechtzeitig Stellplätze im Zug gebucht hat.
Wichtig zu wissen: Wer bis Lyon fährt und über Paris und mit dem Thalys dann nach Deutschland zurückkehren möchte, im Thalys gibt es immer noch keine Fahrradmitnahme.
Was auch möglich ist, wenn man 4 bis 5 Tage mehr Zeit hat: Man kann von Dijon cirka 340 km entlang des schönen Flüsschens Doubs über Besançon und Belford mit dem Rad nach Basel zurückfahren. Einen Reisebericht über dieses Teilstück hat das Reisemagazin Schwarzaufweiß aufgeschrieben.
Wie navigieren?
In der Planungsphase machte ich sehr gute Erfahrung mit Bikemap, entschied ich mich für die Reise sogar zu einem kostenpflichtigen Bikemap-Abo, im Gegensatz zur gut bedienbaren Website ist es die App aber nicht. Ich kam auf der Reise nicht gut damit klar. Ich nutze Apps beim Radfahren im Gegensatz zum Auto nicht für links-oder-rechts-abbiegen-Hinweise, sondern um mich abschnittsweise über den Streckenverlauf zu informieren, da ich beim Radfahren nicht auf ein Gerät, sondern auf die Straße vor mir und die Landschaft um mich herum schauen möchte.
Und diese Info-Funktion kriegt die App nicht besonders gut hin. Hilfreich bei der Planung kann durchaus die Website des Voie Bleue sein, die in vier verschiedenen Sprachen zur Verfügung steht. Und im Rückblick denke ich auch, dass es gut möglich ist, die Tour ohne elektronische Karte zu fahren, nur abseits von Mosel und Saône könnte das schwierig werden.
Und zum Schluß: Wir sind nur bis Dijon gefahren, der Voie Bleue führt den Reisenden aber sogar bis Lyon, in der Rhône-Alpes-Region. Von hier ermöglicht dann der EuroVelo 17 entlang der Rhône sogar eine Weiterfahrt bis ans Mittelmeer. Und das auf sehr bequeme Weise.
Tag 1: Von Koblenz bis Ellenz-Poltersdorf - 69 km
Anfahrt und Start der Tour entlang der unteren Mosel
Eigentlich nicht so schwer. Mit der Bahn von Wuppertal nach Koblenz. Und schon steckt man mittendrin im ersten Abenteuer. Der Reisende als Ladevieh, das nur lästig und unbequem ist, da es erwartet im Zug, der von Köln nach Koblenz fährt, auch bis Koblenz zu kommen.
Statt um 10 Uhr kamen wir um 12 Uhr in Koblenz an, da in Köln-Eifeltor wegen Stromausfalls nichts mehr ging und der Zug sich dann — nach vielen Pausen, in denen wir die wichtigen Kohlezüge vorbeifahren lassen mussten — schaltete das Display im Zug von Köln-Koblenz plötzlich auf Köln-Rehmagen um. Keine Durchsage. Nichts. Dann kurz vor Rehmagen: "Aus technischen Gründen müssen wir unsere Fahrt in Remagen beenden". Keine Anschluss-Info nichts. In Remagen keine Aufzüge funktionsfähig, keine Durchsagen, auf welchem Gleis der nächste Zug nach Koblenz fährt. Wir üben uns in französischer Duldsamkeit, es ist ja Urlaub.
Vom Bahnhof in Koblenz gelangt man einfach und direkt an den Rhein und wird mit einer schönen Aussicht auf die Burg Ehrenbreitstein belohnt. Ss geht nach Links Richtung deutschem Eck. Zuvor machen wir an einer für mich sehr bedeutsamen Plakette halt: Unweit des deutschen Ecks wurde der spätere französische Staatspräsident Valéry Giscard d’?Estaing am 2. Februar 1926 geboren. Ihm und Helmut Schmidt haben wir unter anderen die nach dem 2. Weltkrieg so wichtige deutsch-französische Freundschaft zu verdanken und dieser Freundschaft, inklusive Französisch-Unterricht an deutschen Schulen und Deutsch-Unterricht in Frankreich die Tatsache, dass ich dieses Blog seit 2019 mit allem damit verbundenen Aufwand in drei Sprachen führe. Leider hat die Stadt Koblenz 1985 gegen die Proteste der Bürger das Geburtshaus direkt an der Rheinpromenade abgerissen. Wir unterqueren die Seilbahn zur Burg und kurz muss ich an das Seilbahn-Disaster in Wuppertal denken, besser nur kurz. Das Deutsche Eck ist gesperrt und wir kommen nicht in den Genuss dieses verbauten Mahnmals, das in jeder Hinsicht so falsch ist, mit seiner Erinnerung an den Deutschen Orden und das Reiterstandbilds Wilhelms I., dass an die deutsche Reichsgründung von 1871 erinnert, die einherging mit der Besetzung Elsass-Lothringens. Dazu später mehr in Metz. Mit Kurt Tucholsky kann man es ertragen:
Wir gingen auf der breiten, baumbestandenen Allee (...) dann standen da keine Bäume mehr, ein freier Platz, ich sah hoch ... und fiel beinah um.
Da stand – Tschingbumm! – ein riesiges Denkmal Kaiser Wilhelms des Ersten: ein Faustschlag aus Stein. Zunächst blieb einem der Atem weg.
Sah man näher hin, so entdeckte man, dass es ein herrliches, ein wilhelminisches, ein künstlerisches Kunstwerk war. Das Ding sah aus wie ein gigantischer Tortenaufsatz und repräsentierte jenes Deutschland, das am Kriege schuld gewesen ist – nun wollen wir sie dreschen! (...)
Oben jener, auf einem Pferd, was: Pferd! auf einem Roß, was: Roß! auf einem riesigen Gefechtshengst wie aus einer Wagneroper, hoihotoho! Der alte Herr sitzt da und tut etwas, was er all seine Lebtage nicht getan hat: er dräut in die Lande, das Pferd dräut auch, und wenn ich mich recht erinnere, wallt irgend eine Frauensperson um ihn herum und beut ihm etwas dar. Aber da kann mich meine Erinnerung täuschen ... vielleicht gibt sie dem Riesen-Pferdchen nur ein Zuckerchen. Und Ornamente und sich bäumende Reptile und gewürgte Schlangen und Adler und Wappen und Schnörkel und erbrochene Lilien und was weiß ich ... es war ganz großartig. Ich schwieg erschüttert.
Quelle : Kurt Tucholsky: Die Weltbühne, Nr. 3/1930, S. 94
Von Koblenz aus sind wir nun die Mosel hinauf gefahren, im vollen Bewusstsein, das im Herbst (September 2022) Erntezeit und Weinfestzeit ist. Neben dem Rheingau und dem Mittelrhein dürfte die Mosel das traditionell und international bekannteste Weinbaugebiet in Deutschland sein. Das Anbaugebiet ist mit 5.393 ha die größte Rieslinganbaufläche und das größte Steillagenanbaugebiet der Welt. In den sechs Bereichen Burg Cochem, Bernkastel, Ruwer, Obermosel, Moseltor und Saar werden 19 Großlagen und rund 520 Einzellagen unterschieden. Die Einzellagen in den, so lange von der Sonne beschienenen, Steilhängen entlang des zweitlängsten Nebenflusses des Rheins (mit 544 km Fließstrecke), machen die Besonderheit dieses Weinbaugebietes aus und der Kenner kann sie auch erschmecken. Wichtig für die Kenner und Önologen sind die Böden der Weinregion Mosel, die in der Hauptsache aus Schiefer und nur an der Obermosel auch aus Muschelkalk bestehen, der vor Schengen auch sichtbar an die Oberfläche tritt, mit seiner fast weißen Farbe. Immerhin drei Seiten widmet Hugh Jonsons großer Weinatlas den Anbaugebieten entlang Ruwer und Mosel mit einem Schwerpunkt in Piesport und Bernkastel.
Die dominierende Rebsorte an der Mosel ist mit 60,5 % der eher säurebetont ausgebaute Riesling, gefolgt vom Müller-Thurgau/Rivaner, der mit 14 % Anbaufläche auf den Schiefer so angewiesen ist, um seine feine Note zu entwickeln. Spätburgunder und Dornfelder, auch die weißen und grauen Burgunder sind relativ neue Sorten an der Mosel. Das Weinbaugebiet muss sich der Herausforderung Klimawandel stellen, denn dem Riesling, dem typischen säurebetonten Riesling, wie er schon seit langer Zeit geschätzt wird, bekommt die Klimaerwärmung nicht.
Der Weg entlang beider Seiten der Mosel ist vorzüglich ausgeschildert und wir kommen ausgezeichnet voran. Meine Frau bestaunt die steilen Weinlagen, ich betrachte den frühherbstlich ausgetrockneten Anblick und mache mir Sorgen um die Wasserversorgung der Bäume auf den steilen Lagen.
Die Erdschicht über den Schieferböden ist dünn, der Sommer war sehr sehr trocken und so sehen die Bäume oberhalb der Weinanbauflächen wie eine vertrocknete Version des Indian Summer aus, dazwischen die frisch grünen Rebstöcke. Wie kann das sein, werde ich gefragt. Das liegt am Wurzelsystem der Reben, denn diese können sich nachweislich vertikal bis zu 30 m tief in die verschieferten Hänge bohren.
Zum Ende des Tages gab es noch richtige Moselromantik mit der Reichsburg bei Cochem.
Wir haben ein einfaches, aber relativ günstiges Pensionszimmer in Ellenz-Poltersdorf, das Frühstück kühl auf der überdachten, historischen Terasse am nächsten Morgen. Wieder schönes Wetter.
Daten:
Orte entlang der Route: Koblenz, K-Rauental, K-Metternich, Güls, Winningen, Belltal, Kobern-Gondorf, Lehmen, Kattenes, Löf, Hatzenport, Moselkern, Müden, Karden, Pommern, Clotten, Cocherm, Sehl, Ernst, Ellenz-Poltersdorf
Übernachtung: Weingut Pension Hammes-Krüger, Weinstraße 13, 56821 Ellenz-Poltersdorf
Link zur Karte: https://www.bikemap.net/de/r/10168806/
Tag 2 - Von Ellenz-Poltersdorf bis Erden - 65 km
Der Calmont und Schiff fahren
Erstes Highlight am Morgen war das Frühstück auf der weinumrankten Terasse der Pension und der Ausblick auf einen weiteren schönen Tag entlang der romantischen Mosel.
Wir haben uns auf ein Wiedersehen mit Ediger-Eller gefreut und den Anblick der Ruine des Augustinerinnenstifts Stuben am rechten Moselufer und bei schönstem Sonnenschein kam es auch so.
Ediger-Eller ist wirklich einer der schöneren Orte entlang der Route und es lohnt sich einen Abstecher in den Ortskern von Ediger bis hinauf zur Pfarrkirche St. Martin zu machen. Hinter der Eisenbahnbrücke über die Mosel steigt der Calmont in reiner Südlage als steilster Weinberg der Welt mit 65° Hangneigung bis auf 378 m hinauf. Imposant erheben sich die fast 300 m Höhendifferenz über uns, als wir unterhalb dem Radweg nach Bremm folgen.
Überall an der Mosel kann man ganz wunderbar rasten, leider sind die Einkaufsmöglichkeiten auf die Supermärkte beschränkt. Gemüseläden, Metzgereien oder Bäckereien leider Fehlanzeige.
Highlight des Tages war die kleine Fähre über die Mosel zwischen Alf und Bullay, deren Tarif man erst erfährt, wenn man an Bord ist.
Später haben wir noch gegenüber des großen Wohnmobilstellplatzes in Enkirch Rast gemacht und uns gefragt, wie man freiwillig auf diese Art Urlaub machen kann. Wie Konserven steht ein weißes Wohnmobil neben dem anderen, nur die direkt an der Mosel haben eine schöne Aussicht, alle anderen blicken, eingezwängt zwischen weißem Plastik nur auf sich selbst. Nichts für uns und das ist auch mal gut zu wissen.
Übernachtet haben wir im Gästehaus zum Moseltal, einem familiengeführten Betrieb, der keine große Speisekarte aufwarten kann, dafür aber eine schöne Terrasse, eigenen Wein aus einer Spitzenlage im Erdener Herzlei, einer kleinen Mikrolage von nur 0,4 ha, auf den man von der Terrasse aus eine sehr schöne Aussicht hat. Zum Abendessen bot das Hotel frische Pfifferlinge mit Bandnudeln an und es generierte sich zum Vorteil, dass man in der Küche nicht in die Breite, sondern in die Frische ging. Es schmeckte ausgezeichnet.
Ein sehr schöner Tag ging zu Ende.
Daten
Orte entlang der Route: Ellenz-Poltersdorf, Nehren, Ediger-Eller, Bremm, Neef, Bullay, Zell, Pünderich, Burg, Enkirch, Traben-Trarbach, Rißbach, Koppelberg, Wolf, Lösnich
Übernachtung: Gästehaus zum Moseltal, Am Moselufer 18, 54492 Erden / gasthaus-moseltal.de
Tag 3 - Von Erden bis Schweich - 65 km
Hochmoselbrücke und Bernkastel-Kues
Das gute und ausgiebige Frühstück war deftig und hatte es in sich. Die Mutter der Inhaberin stand mit an die 90 Jahren noch in der Küche und briet die Spiegeleier endlich mal so wie ich sie liebe: unten kross und im Dotter weich. Kein schlabbriges Rührei. Ich freu mich.
Nach dem Frühstück ein schwieriges Gespräch mit der Vermieterin: Sie ist ausgebrannt. Die Wäschefirma wäscht die Hotelwäsche nicht mehr. Die Putzfrau hat gekündigt, mit 64 kann sie aber nicht jeden Abend noch kochen, dann Frühstück und die Zimmer machen. Und noch eine 90 jährige Mutter, um die sie sich kümmern muss. Das Essen war sehr sehr gut, es gab aber nur 2 Gerichte - eigentlich ein Qualitätsmerkmal, eine Verwandte bediente sehr nett. Das mit der wenigen Auswahl fand ich gut, es gäbe aber auch lautstarke Beschwerden darüber. Sie sagte, in Bernkastel-Kues würde man kein Zimmer mehr unter 5 Tagen Buchungsdauer bekommen. Das wäre das Ende des Wander- Rad- und Etappenreisens.
Dann ging es endlich los - wer kennt das morgendliche Scharren mit den Füßen nicht - Richtung Ürzich, einem Ort der durch seine Einzel- und Großlagen über Deutschland hinaus bekannt ist. Ich nenne nur den Ürziger Würzgraten mit dem Ürziger Maxberg, dem Urglück oder der Einzellage in der Kranklei.
Es folgt nach Ürzich die größte Schande, die die Verkehrspolitik der alten grauen weißen Männer über die Mosel gebracht hat, die Hochmoselbrücke.
Der Tag war sehr schön, in Bernkastel-Kues Weinfest, da kamen wir aber durch, bevor es losging. Zwischendurch sehr schöne Orte und sehr schöne Aussichten.
Hinter Bernkastel-Kues fanden wir endlich eine regionale Metzgerei, die der Familie von Karlheinz Sopp, wo wir köstliche hausgemachte Salami mit Walnüssen kauften, die für einige Tage als Mittagspicknick reichen sollte.
Über unser Hotel lässt sich leider nur sagen: Lage, Lage, Lage. Es liegt schlecht, weil zu weit vom Moselufer entfernt, es liegt schlecht, weil sehr laut an der A1 und außer einem Ok-Hotelzimmer hat es nichts zu bieten. Leider haben wir nichts anderes gefunden.
Daten
Orte entlang der Route: Erden, Ürziger Mühle, Zeltingen-Rachtig, Graach an der Mosel, Bernkastel-Kues, Andel, Mühlheim an der Mosel, Brauneberg, Wintrich, Geierslay, Piesport, Neumagen-Dhron, Neumagen, Leiwen, Köwerich, Thörnich, Detzem, Mehring, Schweich
Übernachtung: Hotel Leinenhof GmbH & Co KG, Leinenhof 5, 54338 Schweich
Tag 4 - Von Schweich nach Schloss Thorn - 70 km
Tor des Mars, Pfalzel, Trier, Schloss Monaise
Nach einer lauten und nicht sehr gemütlichen Nacht an der A1 bekamen wir ein praktisches Frühstück, etwas Besseres lässt sich leider nicht schreiben.
Von Schweich ging es nach Ehrang, wo wir auf dem Bahndamm Richtung Trier die Kyll überquerten. Von hier aus kann man das schöne Kylltal https://www.eifel.info/a-kyll-radweg befahren und kommt dann in Gerolstein heraus. Von dort ist es nicht weit bis Daun und hier führt der Maare-Mosel-Radweg https://www.eifel.info/a-maare-mosel-radweg wieder zur Mosel zurück.
Keinesfalls entgehen lassen sollte man sich den kleinen, Trier vorgelagterten Ort Pfalzel, mit seinen hübschen Häusern und der historischen Befestigungsanlage. Sehr schön!
Jetzt ist es nicht mehr weit bis Trier, nach Koblenz der ersten größeren Stadt und unserem ersten Highlight, auf das wir uns sehr gefreut haben. In der Tat gibt es in Trier wirklich genug anzuschauen. Angefangen über das im Untertitel genannte Tor des Mars, oder bekannter als Porta Nigra, über Konstantin-Basilika, den Trierer Dom St. Petrus, die Römerbrücke über die Mosel, die sehenswerte Innenstadt mit ihren schönen Plätzen, die Kaiser- oder die Barbarathermen, genügend Stoff für einen Ein- oder Zweitagesaufenthalt.
Unbedingt erwähnt sei noch der Heilige Rock, die kostbarste Reliquie (Überrest vom Körper eines Heiligen oder Gegenstand, der mit ihm in Zusammenhang steht und verehrt wird), die der Trierer Dom aufzuwarten hat. Mit ihm wollten die Trierer die bis dato kostbarste Reliquie des Klosters Prüm, die Latschen (Sandalen) Jesu Christi (die Überreste eines reich verzierten Stoffschuhs aus der Merowingerzeit, nach anderen Angaben aus der Karolingerzeit, in den Reste der Sandalen Christi eingearbeitet worden seien) übertrumpfen, die Pippin III., Vater Karls des Großen im 8. Jahrhundert dem Kloster zu Prüm geschenkt hatte. Schon damals ging es dabei ganz profan ums Geld, und zwar das der Pilgerer. Mit der Wallfahrt von 1524 zum heiligen Rock gelang es den Trierern zum ersten Mal die Prümer auszustechen.
In Trier konnten wir aus Zeitgründen nur ein paar Stunden bleiben und machten uns entlang des linken Moselufers auf zum nächsten Highlight, dem Schloss Monaise, das unweit der Mosel auf einem heute leider stark beschnittenen Stück Land liegt und in dessen kleinem noch erhältlichen Wäldchen ein sehr schöner Monopteros liegt, ein kleiner Rundbau mit Säulen, der über keinen geschlossenen Innenraum verfügt. Das Schloss Monaise gilt als besterhaltenes deutsches Beispiel einer außerstädtischen Villa des 18. Jahrhunderts und ist im Stil des Frühklassizismus errichtet. Monaise leitet sich vom französischen Mon aise ab, was so viel wie meine Muße, meine Leichtigkeit oder meine Ruhe bedeutet.
Von Schloss Monaise ist es, die Saarmündung passierend, nicht mehr weit bis Wasserbillig und der Grenze zu Luxemburg, in dem ich zuvor noch nie gewesen bin. Hier kann ich nur dazu raten die Fähre auf die rechte Moselseite zu nehmen, da sich die Fahrt entlang der luxemburgischen Rebflächen auf der linken Seite als ausnehmend heiß und langweilig monoton entpuppte. In Grevenmacher konnten wir dann endlich wieder auf die rechte Seite zurück nach Deutschland wechseln und erfolgreich bis zum Schloss Thorn, kurz vor Remich radeln.
Die Übernachtung in Schloss Thorn kann ich nur empfehlen. Nach Remich ist es ein gutes Stück und wir hatten abends keine Lust mehr auf den Sattel zu steigen. Also nahmen wir auf der Bank vor unserer Unterkunft Platz und machten uns ein einfaches, aber leckeres Picknick in der Abendsonne mit Blick auf das schöne Schloss.
Daten
Orte entlang der Route: Schweich, Quint, Ehrang, Pfalzel, Pallien, Trier, Porta Nigra, Trier-Altstadt, Schloß Monaise, Igel, Wasserbilligerbrück, Wasserbillig, Mertert, Grevenmacher, Wellen, Nittel, Wehr, Palzem, Schloss Thorn
Übernachtung: Schloß Thorn, 54439 Palzem
Tag 5 - Von Schloss Thorn nach Thionville - 51 km
Schengen-Abkommen und die ländliche Verarmung
Das Frühstück in Schloss Thorn ist gut und empfehlenswert. Bei allerschönstem Wetter brechen wir Richtung Frankreich auf.
In Schengen lassen wir Luxemburg und Deutschland hinter uns und wechseln nach Frankreich. Mit - wahrscheinlich vielen - öffentlichen Mitteln hat man dem vielversprechenden, aber wenig haltenden Schengenabkommen von 1985 an der Mosel ein teures, aber völlig falsch wirkendes Denkmal gesetzt.
Kernpunkt des Abkommens ist die Aussage: "Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden." Erinnert Ihr Euch an die Personenkontrollen rund um die Syrienkrise? An die Personenkontrollen zu Zeiten des Flüchtlingstroms nach dem russischen Überfall auf die Ukraine? Die Denkmäler in Schengen, die Auflistung der vielen anderen wichtigen Verträge der europäischen Staaten seit Gründung der Europäischen Union vermitteln ein diskursives Bild, das mir den Kopf spaltet. Schnell weg hier.
Was aus Teilen Europas wird, wenn wir so weiter machen wie bisher, lässt sich dann eindrucksvoll direkt hinter der Grenze in Sierck-les-Bains betrachten, einem Ort, in dem durch Armut, Hochwasser und eine verfehlte Großunternehmenpolitik, ausgesiedelte Lebensmittelmärkte eine ganze Straße mitten im Ort vollständig verwaist ist. Pittoresk, aber ein Mahnmal dafür, warum die Rechten immer weiter erstarken werden, wenn wir politisch und sozial so viele Menschen zurücklassen.
Dabei hat Sierck-les-Bains viele schöne Seiten, eine wunderbare Bäckerei, eine eindrucksvolle Burgruine und eine sehr schöne Lage im Moselbogen gegenüber dem Stromberg mit 312m Höhe.
Nach Sierck-les-Bains wechselt der Voie Bleue noch mehrmals die Flussseite und man kann die verschiedenen Aussichten mit und ohne Gegenlicht genießen.
Vor Thionville werden die anderen Eingriffe des Menschen in die Natur sichtbar, das begradigte Bett der Mosel ist von vielen Kiesgruben umgeben, die jetzt eine kleine Seenlandschaft bilden, in der sich die, für September zu warme Sonne spiegelt. Von weitem sehen wir die Türme von Cattenom, ein ungemütlicher, unheimlicher Anblick. Mordor. Schnell weg.
Thionville, in dem wir schon viel zu früh und dank der Hitze etwas lustlos ankommen, gibt sich abweisend und für uns wenig zugänglich. Wir empfinden die Stadt als zu laut, die Innenstadt unbelebt und wenig attraktiv. Ein Ort, der sich vor uns verschließt. Meiner Frau geht es auch in der Airbnb-Unterkunft im Stadtteil Terville noch nicht besser, wir kaufen ein wenig ein, essen im kühlen Zimmer im Souterrain. Schlafen früh.
Der Tag war insgesamt nicht unnett, gut zu fahren und Sierck-les-Bains und Schengen waren nachdenkenswerte Highlights.
Daten
Orte entlang der Route: Schloss Thorn, Remich, Besch, Schengen, Grenzübertritt, Apach, Sierck-les-Bains, Contz-les-Bains, Berg-sur-Moselle, Malling, haute-Ham, Thionville, Thionville-Terville
Übernachtung: Héléne & Yves, Airbnb Thionville-Terville
Tag 6 - Von Thionville nach Pont à Mousson - 80 km
Die Laterne Gottes, Metz, Jaumont-Stein, Gorze-Aquädukt
Architektonisch ist der Stadtteil Terville von Thionville durchaus interessant. Hier stehen einige schöne Siedlungsgebäude aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Wir verlassen das in einer Ebene an der Mosel liegende Thionville und machen uns am rechten Moselufer auf den Weg ins 30 km entfernte Metz.
Die Strecke ist durchgehend flach, es gibt an den Baggerseen, die eingesprengselt wie kleine Himmelsspiegel in der Landschaft liegen, viele Vögel zu sehen. Große Teile der Mosel sind kanalisiert, manchmal folgt die Route den Kanälen.
In Metz überqueren wir die der Stadt vorgelagerten Moselinseln und sind unmittelbar danach schon mittendrin. Keine lange Passage entlang lauter Autostraßen, das erfreut das Radfahrerherz. Schon auf den Inseln gibt es viel zu sehen, unter anderem den schönen Platz de la Comédie, den Temple Neuf, die im Rahmen des Zuzug protestantischer Reichsdeutscher nach Metz ab 1901 errichtet wurde. Es lohnt sich sehr sich in die wechselvolle Geschichte der Stadt Metz einzulesen, ganz besonders, weil wir Deutschen eine ganz besondere Verantwortung für diese Geschichte tragen, immerhin haben die Deutschen die Stadt zweimal besetzt. Einmal nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, nach dem die Besetzung bis 1918 anhielt, ein zweites Mal wurde die Stadt von 1940 bis 1944 von den Deutschen in der Zeit des Nationalsozialismus besetzt. Besonders die lange Zeit von 1871 bis 1918 hatte einen einschneidenden Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung der Stadt, 31 % der angestammten Bevölkerung verließen die von den Deutschen besetzte Stadt, unter anderem in Richtung des weiter Südlich gelegenen Nancy, dass sich darauf hin zu einer aufstrebenden Kunst- und Kulturmetropole entwickelte.
Nicht Gebäude dominieren in meinen Augen die Stadt, sondern eine Farbe. Es ist der Jaumont-Stein, ein gelber, sandiger Kalkstein, der vielen Gebäuden, der ganzen Stadt seine Farbe gibt. Er wird unweit des Flüsschens Orne nur ein paar Kilometer nordwestlich der Stadt Metz bis heute abgebaut, und verfügt über eine in der Sonne grell erscheinende Farbe und eine ausgezeichnete Bearbeitbarkeit.
Natürlich haben wir die Laterne Gottes, die gotische Kathedrale Saint-Étienne de Metz mit ihren 6500 qm Kirchenfenstern besichtigt, ebenso die aus dem 4. Jahrhundert stammende Basilika Saint-Pierre-aux-Nonnains, den Markt in einem Gebäude neben der Kathedrale (mit der unglaublichsten Auswahl an Steak-Fleisch, die ich je gesehen habe), der eigentlich als Bischofssitz gedacht war. Wir sind durch die schöne Innenstadt spaziert, haben wie Fontane viel Kaffee getrunken, die köstlichen Süßigkeiten der Konditoreien eingekauft. Eine sehens- und besuchenswerte hübsche Stadt mit einer wechselvollen Geschichte, an der wir deutschen einen großen Anteil haben.
Natürlich war nicht für alles Zeit, auch wenn wir jetzt nur noch 40 km bis zu unserem Ziel Pont-à-Mousson zu fahren hatten. Um so mehr überraschte uns in Jouy-aux-Arches die bis heute erhaltene römische Aquäduktbrücke in Jouy-aux-Arches, die einstmals mit einer stolzen Länge von 1125 m das Tal der Mosel überspannte und Wasser von Gorze, 20 km südwestlich von metz gelegen in die lothringische Metropole leitete.
Südlich von Metz wird es wieder hügeliger an den Ufern der Mosel und wir passieren grüne, verlassen überwachsene Kanäle, überqueren alte Eisenbrücken und am späten Nachmittag erreichen wir Pont-à-Mousson im Département Meurthe-et-Moselle. Wie ich heute bei Wikipedia lese, nennen sich die Bewohner Mussipontains, eine interessante Bezeichnung. Die Stadt hat einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten, dominierend die am Moselufer gelegene ehemalige Prämonstratenserabtei Sainte-Marie-Majeure, die im frühen 18. Jahrhundert im Stil des barock errichtet wurde. Die Abtei ist eine der bedeutendsten Klosteranlagen Lothringens. Im 16. Jahrhundert führten die Jesuiten in Pont-à-Mousson eine Universität, zu der das Kloster eine enge Verbindung unterhielt. Die Universität Pont-à-Mousson ist die Vorgängerinstitution der heutigen Université de Lorraine in Nancy und wurde 1769 dorthin verlegt.
Unsere Unterkunft befindet sich am rechten Moselufer gegenüber dem Stadtzentrum in einer geräumigen Dachwohnung. Wir beschließen uns heute einmal etwas zu gönnen und speisen angenehm im überfüllten Restaurant Pierre Bonaventure an der Place Duroc, der fast rundherum Bogengänge unter den am Platz gelegenen Häusern aufweist.
Daten
Orte entlang der Route: Thionville-Terville, Château de Blettange, Metz, Le Ban-Saint-Martin, Corny-sur-Moselle, Novéant-sur-Moselle, Arnaville, Pagny-sur-Moselle, Pont-à-Mousson
Übernachtung: Arnaud, Airbnb: 333 Av. des États Unis, 54700 Pont-à-Mousson, Frankreich
Tag 7 - Von Pont à Mousson nach Nancy - 40 km
Die Hauptstadt der Lorraine: Nancy
Eine sehr kurze Tour und das aus bester Absicht heraus. Wollten wir doch so viel wie möglich Zeit in Nancy verbringen und das hat sehr gut geklappt.
Wie der ganze Voie Bleue verlief auch diese Route sehr abwechslungsreich entlang der Mosel. Die gesamte Tour zeichnet sich dadurch aus, das man weitestgehend unabhängig von Straßen unterwegs ist und dadurch seine Ruhe hat. Sehr wohltuend.
Und immer mal wieder ergibt sich die Möglichkeit für eine Rast oder Mittagspause mit Blick auf das Richtung Norden fließende Gewässer Mosel. Uferbäume spenden zu vielen Zeiten Schatten.
Kurz vor Nancy verlassen wir die Mosel, fahren ein kurzes Stück zunächst entlang der Meurthe und wechseln schließlich quer zum Canal de la Marne au Rhin, der parallel zum Nebenfluss der Mosel das Stadtgebiet durchschneidet. Eine ruhige, fast strassenlose Einfahrt in das Zentrum von Nancy, eine Jugendstilhochburg in der Region Grand Est. Auf Höhe der Rue Lecreulx verlassen wir den Kanal und fahren unmittelbar in den wunderschönen Parc de la Pépinière ein, in dem eine wunderhübsche Rodin-Statue den Künstler des 17. Jahrhunderts Claude Gellée abbildet.
Am Wasserspiel inmitten des Parcs rasten wir und atmen tief durch. Beobachten die spielenden Kinder und Erwachsenen. Wir halten inne und rekapitulieren den schönen Tag, den wir bisher hatten. Auch dafür muss im Laufe des Tages immer mal Zeit sein.
Unsere phantastische, luxuriöse Wohnung direkt am Place Stanislas lässt sich nicht öffnen, weil der das Schlüssel-Case zwei Häuser weiter nicht finden. Eine Nachbarin hilft freundlicherweise aus. Platz für die Räder ist nicht unbedingt, wir stellen sie trotzdem so wenig störend wir möglich im Treppenhaus ab.
Ein guter Zeitpunkt um einmal über die Räderunterbringung zu sprechen. Das ist ein Punkt, den die Vermieter am Voie Bleue einmal überdenken sollten. Eine Chance, sich dem radelnden Reisenden servicefreundlicher zu präsentieren. Wir haben unsere Räder in dunklen Kellern, in Hotelzimmern, auf Hinterhausterassen, in Treppenhäusern, Weinkellern, Garagen usw abgestellt. Lademöglichkeiten für das eBike meiner Frau gab es gelegentlich, immer wieder zeigt sich, wie gut es ist, dass der Akku abnehmbar ist.
Zurück zu Nancy. Eine Stadt wie Zucker. Der Place Stanislas bestimmt einer der schönsten, die ich je zu erleben das Glück hatte. Kann sich mit dem Campo in Siena und anderen Piazzen auf der ganzen Welt in jeder Beziehung messen. Diese Weite, die helle Farbe, die Art von Leben, die Dekoration, das Licht, die Dimensionen, es genügt einfach und vollkommen nur hier zu sein.
Nach einem Ausflug in die Innenstadt machten wir uns noch von unserer Adresse an der schönen Place de la Carriere Richtung Porte de la Graffe auf, dem dominierenden mittelalterlichen Stadttor im Norden der Kernstadt von Nancy und finden eine Einkaufsstraße mit all den kleinen Lädchen, von denen der Frankreich-Reisende zu Hause so gerne sich selbst schwärmen hört. Schön. Hier sind Gemüse-, Gebäck- und Nippeshändler noch mit traditionellen Betrieben wie einer Polsterei oder Metzgerei in Nachbarschaft vereint. Zwei Steaks können wir nicht liegenlassen und machen uns selbst in unserer Wohnung ein köstliches Diner mit Bohnen und Kartoffeln als Beilage.
In Nancy kann man stundenlang Gassen und Sträßchen, Winkel und Hinterhäuser erkunden, für die vielen Jugendstilgebäude, die Folgen der großen École de Nancy blieb zu wenig Zeit.
Leider hatte unsere schöne Wohnung ein großes Manko: schlechte Lüftung. Schlafen war möglich, aber leider nicht gut.
Daten
Orte entlang der Route: Pont-à-Mousson, Autreville-sur-Moselle, Millery, Custines, Maxéville, Nancy
Übernachtung: Le Petit Carrière, 39 Place de la Carrière, 54000 Nancy
Tag 8 - Von Nancy bis Thaon-les-Vosges - 72 km
An schönen Kanälen I
Um so mehr freuten wir uns am nächsten Morgen wieder auf die Räder zu steigen. Kennt Ihr das? Ein Gefühl, das nur während langen Radtouren aufkommt. Abends ist man froh nicht mehr im Sattel zu sitzen, aber morgens kann man nicht mehr schnell genug wieder drauf kommen.
Wir nehmen – nach einem schönen Frühstück bei offenem Fenster – den Weg zurück zum Canal de la Marne au Rhin. Bei Laneuville-devant-Nancy zweigen wir Richtung Südwesten/Süden auf den nur 10 km langen Verbindungskanal Canal de jonction de Nancy ab. Er verbindet den Canal de la Marne au Rhin mit dem Canal des Vosges (bis 2003 Canal de l’Est).
Bei Ankunft am Canal des Vosges werden, einmal wieder, die Folgen des trockenen Sommers deutlich. Viele Kanalbecken sind trocken gefallen, Schiffsverkehr findet nicht statt und im Schlick stelzen müde ein paar Vögel umher. Zwar führt der Verbindungskanal Wasser, das mit Hilfe eines Turbinenhebewerks aus der Mosel in den Kanal befördert wird, für den Canal des Vosges reicht es trotzdem nicht.
Es folgt ein Streckenabschnitt, an dem die sonst überall vor langer Zeit gepflanzten schönen Platanen noch erhalten sind. Sie haben dem Pilzbefall, der in ganz Frankreich den Platanen so zugesetzt hat, erfolgreich getrotzt.
Einer der schönsten Abschnitte des Voie Bleue liegt vor uns. Viele Schleusen und viele noch erhaltene, leider aber weder bewohnte noch sehr gepflegte Schleusenwärterhäuschen, liegen entlang der Kanalstrecke. Der Schleusenwärter, auch ein Beruf, den moderne Technologie eingespart hat. Damit verschwunden sind aber auch die Kultur des Schleusenquatschens, des Feuergebens zu einer Zigarette, die Fragen zu Familie und Kindern, das Reden über das Wetter und den Wassermangel und die harte Arbeit, die der Schleusenwärter aber womöglich liebte. Unwissen, Romantisierung. Möglich. Dafür funken jetzt Schiffe die Schleuse an, alles passiert anonym und automatisch.
Schleusen, Schleusenwärter und Schleusenwärterhäuschen gibt es in jeder Branche. Scheinbar verlaufen technologische Revolutionen ganz automatisch aber wer sagt, dass es nicht auch anders sein könnte?
Ich bewundere die Schleusen und die Schleusenästhetik. Aus der Zeit gefallen, aber voller Schönheit und liebevoll gebauter Details. Wie zum Beispiel die Blumenkästenhalter an den Schleusengeländern. Die Blumenkästen und die Blumen fehlen. Niemand hängt mehr Blumenkästen auf, niemand pflanzt mehr Blumen ein.
Schade, dass die Kanalverwaltung die Schleusenhäuschen nicht in kleine Übernachtungsmöglichkeiten umwandelt. Für Radler entlang des Voie Bleue wäre es ein Traum.
Viele Menschen sehen wir nicht. Zu dieser Zeit sind auch nicht mehr viele Radler unterwegs. Wir werden nicht überholt, überholen auch niemand, ab und zu kommt uns mal ein Pärchen entgegen. Wer seine Ruhe haben möchte, dem Massentourismus entfliehen will, auf Instagram-taugliche Inszenierungen verzichten kann, der ist hier richtig.
In Charmes macten wir knapp vor der Mittagsruhe noch Rast. Charmes ist eine französische Gemeinde im Département Vosges der Region Grand Est. Auf dem Gebiet von Charmes überquert der Canal des Vosges zweimal den Canal des Moulins, eine sehr alte Abzweigung von der Mosel zu den Mühlen nahe dem Altstadtkern, die bereits im 11. Jahrhundert erwähnt wurden.
Am späten Nachmittag erreichen wir Thaon-les-Vosges, wo wir in Capavenir Vosges privat übernachten. Das Abendessen nehmen wir mit grandioser Aussicht auf den Kanal auf einer Bank am selben ein.
Daten:
Orte entlang der Route: Nancy, Jarville-la-Malgrange, Laneuville-devant-Nancy, Crévéchamps, Neuviller-sur-Moselle, Roville-devant-Bayon, Bainville-aux-Miroirs, Charmes, Châtel-sur-Moselle, Thaon-les-Vosges
Übernachtung: Airbnb: Francois, Thaon-les-Vosges, 88150 Capavenir Vosges, Frankreich
Tag 9 - Von Thaon-les-Vosges nach Corre - 83 km
An schönen Kanälen II
Der Kilometerstand seit Koblenz betrug am Tag 9 exakt 600 km und es ging es von Thaon-les-Vosges nach Corre in der Franche-Comté. Wir wollten eigentlich immer um die 60 km am Tag fahren, aber es gab nirgendwo sonst ein Plätzchen für uns, selbst Wochen vorher nicht.
Der Abschnitt zwischen Thaon-les-Vosges/Épinal und kurz vor Corre am Canal des Vosges (früher Canal de l'Est) ist bestimmt einer der schönsten, den wir je geradelt sind. Der Kanal verläuft wirklich fast völlig abgekapselt und abseits jeglicher Zivilisation, auf dem Weg kaum eine Menschenseele, abseits gar niemand zu sehen, weit und breit nur einsame Dörfchen, Wälder, ein paar Autos die durch die Kulisse unserer Radreise queren.
Épinal, den Geburtsort von Émile Durckheim, dem Soziologen, mussten wir als Umweg wegen des unsicheren Wetters leider auslassen. Geregnet hat es dann aber trotzdem den ganzen Tag kein bisschen.
Schon der Römer Lucius Vetus plante laut den Aufzeichnungen des Geschichtsschreibers Tacitus einen Kanal zwischen Mosel und Saône. Gebaut wurde er schließlich, um die Verkehrswege zu ersetzen, die durch die deutsche Besetzung Lothringens verloren gegangen waren. Erbaut wurde er von 1874 bis 1882, die Freigabe für die Schifffahrt erfolgte 1884. Heute folgt der Kanal exakt dem Verlauf, den schon im 17. Jahrhundert der Festungsbauer Vauban festgelegt hatte.
Der Canal des Vosges ist insgesamt 124 Kilometer lang und verfügt über 93 Schleusen. Der Kanal ist zur Gänze ein künstlicher Wasserweg und benutzt nicht die parallel verlaufenden Flüsse im Mosel- und Côney-Tal. (...) Nach der Abzweigung des Stichkanals nach Épinal beginnt die Schleusentreppe von Golbey mit 15 Schleusen im Abstand von 150 bis 300 m. Die Treppe überwindet auf einer Distanz von 3,2 km eine Höhendifferenz von 44 Metern. Sie führt vom Tal der Mosel hinauf zur Scheitelhaltung – sogenannt, weil höchster Punkt des Kanals – deren Wasserversorgung das Reservoir von Bouzey (gebaut von 1879 bis 1882 zur Wasserversorgung des Kanals) gewährleistet.
Hat man die Schleusentreppe überwunden, erlebt man entlang der Scheitelhaltung des Kanals ein völlig neues Kanalradelerlebnis. Man ist oben auf und hat auf 350 Metern Meereshöhe einen zum Teil weiten Blick über die Landschaft der Vôge, einem Sandsteinplateau, das südwestlich an die Vogesen anschließt. "Charakteristisch für die Vôge sind großflächige Mischwälder (Buche, Eiche, Kiefer), kleine Seen sowie Thermalquellen, die in den Kurorten Bains-les-Bains und Plombières-les-Bains genutzt werden. An einigen älteren Gebäuden sieht man noch die für die Region typischen Dachziegel aus Sandsteinplatten. Das Gebiet ist dünn besiedelt." (Quelle: Wikipedia)
Der hier Reisende sollte unbedingt daran denken, in Chaumousey, das man mangels Brücke durch einen unter dem Kanal verlaufenden Tunnel erreicht, im Café von Pierre und Laura Gebäck für ein Picknick einzukaufen. Wir geniessen es auf einer schönen Bank mit Blick auf den Ort direkt.
Bereits kurz hinter Void de Girancourt beginnt auch schon die Schleusentreppe zum Abstieg in das Tal der Côney hinunter.
Es ist einsam am Kanal und wir sind von der Ruhe, der Menschenleer und gebieterischen Stille inmitten des vielen Grüns am Kanal ehrfürchtig ruhig und bedacht und zugleich ganz begeistert. Unfassbar wie grün es hier ist, nach der schlimmen Dürre an der Mosel.
Dem einen mag dieser Abschnitt an Highlights mangeln, aber diese ungestörte, von Autos, Laubbläsern und Lärm unbeeinträchtigte Natur kann man inmitten Europas nicht mehr an vielen Stellen erleben. Wir sind dankbar für diesen Tag. Ein absolutes Highlight unserer Tour, finde ich.
Unweit des Örtchens La Vôge-les-Bains bogen wir für eine kleine Pause leicht rückwärts vom Kanal ab und haben uns die Manufacture royale de Bains-les-Bains angeschaut, die 1733 mit Genehmigung der Herzogin Elisabeth-Charlotte zugunsten der Brüder Jean-François und Claude Coster per Patentbrief gegründet wurde.
Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts konnte sich die Manufaktur wegen der Herstellung von verzinnten Eisenwaren zu einer der bemerkenswertesten Fabriken Frankreichs entwickeln.
Das gesamte Gelände umfasst mehrere Industriegebäude (Verzinnungswerkstätten (1736), Kohlenhalle (1779, 1859) usw.), Arbeiterunterkünfte (18. Jahrhundert), Ställe, das Haus der Vorarbeiter, die Kapelle (1735), einen Eiskeller und das Schloss (32 Zimmer) des Inhabers, das von einem Park mit zahlreichen Baumsorten, darunter auch einige seltene Arten, umgeben ist.
Die meisten Gebäude wurden zwischen 1733 und 1737 (Schloss, Kapelle und Arbeiterunterkünfte) vom Schmiedemeister und Generalpächter Georges Puton5 (1679-1737) und später in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet (z. B. die Kohlenhalle 1779). Im Jahr 1764 arbeiteten und wohnten in der Manufaktur fünf Kommis und 125 Arbeiter. Wie die meisten zu dieser Zeit errichteten Industrieanlagen liegt sie an einem Fluss, der die Nutzung von Wasserkraft ermöglicht, und inmitten eines Waldes, der Holz und Holzkohle liefert, die zum Beheizen der Schmieden und Öfen benötigt werden. (Weitere Info und Quelle: https://fr.wikipedia.org/)
Ein Sierck-Les-Bains hinter Schengen in nichts nachstehendes Highlight, in pittoresker Hinsicht, ist der in Teilen aufgegebene Ort Fontenoy-le-Chateau. Entlang der Hauptstraße durch den Ort sind Dutzende verlassene Schaufenster zu sehen, die alle einmal voller Leben gewesen sein müssen. Lauter Geschäfte, bei denen man alles für den täglichen Bedarf bei seinen Nachbarn und Mitmenschen einkaufen konnte.
Wir fahren weiter bis Selles, und die Landschaft öffnet sich in die Weite. Direkt am Dorf Selles überquert die letzte erhaltene Drehbrücke, 1881 erbaut, den Kanal. Wir überqueren die Brücke und finden auf der anderen Seite die kleine Bäckerei mit dem merkwürdigen Namen SODEX ECOFFET mit sehr leckeren Spezialitäten. Immerhin. Eine Bäckerei. Einer Pause an der Kanalbrücke steht nichts im Wege. Ob die verzinnten Verkleidungsplatten des Brückenwärterhäuschens aus der Manufacture royale de Bains-les-Bains stammen? Sie sehen schön aus und ich bewundere sie und die pittoreske Szenerie ausgiebig.
Bis Corre verläuft der Kanal einträchtig neben dem kleinen Flüsschen Côney, dass sich auf der Strecke zum wassereichen Gewässer mausert. Flüsschen und der Canal de Vosges gehen hier in die Saône über, die ab Corre schiffbar ist.
Dass wir auf der ganzen Strecke wenig Boote gesehen haben, hat einen einfachen Grund. Das ganze Gewässersystem Mosel, Reservoir von Bouzey enthält viel zu wenig Wasser für die Versorgung des Kanals und deswegen sind viele Zwischenstücke trocken gefallen.
Unsere Unterkunft am Abend ist für den Preis erstaunlich geräumig und ganz hübsch auf einem ehemaligen Bauernhof in unmittelbarer Nähe von Corre gelegen. Wir besorgen uns im Supermarkt etwas zu essen und kochen uns dann selbst etwas.
Daten:
Orte entlang der Route: Thaon-les-Vosges, Chavelot, Kanalabzweigung, Les Forges, Sanchey, Chaumousey mit Bäckerei und Café, Girancourt, Méloménil, Les Forges d'Uzemain, La Forge de Thuniment, Manufacture Royale des Bain-les-Bains, Bains-les-Bains, Fontenoy-le-Château, Pont-du-Bois, Selles, Corre, La Baisse Vaivre
Übernachtung: Metris Gaelle, 2 Faubourg Louis Boulanger, Corre
Link: https://www.bikemap.net/de/r/10295396/
Tag 10 - Von Corre nach Ferrières-lès-Scey - 50 km
Die Hügeltour
Es ist schon verrückt wie viel Abwechslung der Voie Bleue zu bieten hat. Nach den über 650km entlang von Flüssen und Kanälen steht die erste Etappe an, bei der es wirklich einmal bergauf und bergab geht.
Am 10. Tag unserer wunderschönen Tour von Koblenz nach Dijon ging es von Corre nach Ferriéres-les-Scey. Schon kurz hinter Corre verlässt der Weg zum ersten Mal die Saône, um schließlich hinter Cendrecourt einen weiten Schlenker nach Westen Richtung Jussey zu machen, wo die größte Steigung der gesamten Reise ansteht.
Die Landschaft eine Mischung aus Auvergne und England, viel viel mehr Kühe und Rinder, in Braun, hellbraun, schwarz und schwarz-weiss.
Wir durchqueren Gevigney-et-Mercey und kehren an die Saône zurück, wo wir unweit von Fouchécourt im Yachthafen Kaffee trinken. Auf der Weiterfahrt halten wir an einem Stand an der Straße und kaufen Quetsches für unterwegs, kommen ins Gespräch. Belgier, die nach Frankreich gezogen sind und ich treffe im Nirgendwo der Franche-Comté einen Belgier, der das Morts Subite in Bruxelles kennt.
Jetzt geht es dauerhaft bergauf Richtung Chergey-lès-Port und wir geraten in den ersten Regen unserer Reise und sind tatsächlich ziemlich durchnässt. Abseits der Saône fühlen sich die 295 m Höhenmeter doch beachtlich am, jetzt schreibe ich schon wie ein Niederländer.
In Port-sur-Saône im Département Haute-Saône gehen wir Lebensmittel shoppen, bis zu unserem Ziel Ferrières-lès-Scey ist es nun nicht mehr weit. Dort machen wir abends noch einen ausgiebigen Spaziergang und haben so die Gelegenheit die verborgenen Schönheiten dieses unverbauten Ortes etwas oberhalb der Saône zu entdecken.
Ein abwechslungsreicher und sehr schöner Tag geht zu Ende.
Daten:
Orte entlang der Route: Corre, La Baisse Vaivre, Ormoy, Cendrecourt, Jussey, Gevigney-et-Mercey, Fouchécourt, Port-sur-Saône, Ferrières-lès-Scey
Übernachtung: Airbnb: 15 Route de Port sur Saône, Ferrières-lès-Scey
Link: https://www.bikemap.net/de/r/10295410/
Tag 11 - Von Ferrières-lès-Scey nach Gray - 69 km
Saône, Tunnel, Brücken, Schloss, Fritten, Entspannung
Am 11. und vorletzten Tag unserer Radreise ging es von Ferriéres-les-Scey über Ray-sur-Saone nach Gray. Nach dem eher anstrengenden Tag (Alpinisten bitte weglesen) über die Hügel, diesmal ein ruhiger Tag entlang der Saône. Und das schon wieder bei allerschönstem Wetter.
Der Radweg mäandert mit der Saône um die Wette, und auf dieser Etappe gibt es einige Highlights, die erwähnenswert sind.
Zum einen die zwei Tunnelüberquerungen, denn sowohl bei Ferrières-lès-Ray und unweit von Savoyeuy haben sich die Erbauer des Kanals im 19. Jahrhundert dafür entschieden zwei Schleifen des Flußes enorm abzukürten. Der Ausblick vom Scheitel des Hügels, der über dem Tunnel liegt auf diese schon mehr als 150 Jahre zurück liegende Ingenieurskunst ist ein Genuss.
Wir haben noch nicht richtig gefrühstückt, und so fahren wir bei Soing-Cubry-Charentenay über die Saône und picknicken in der kühlen Morgensonne gemeinsam mit den Bootsbesitzern im Port de Soing, die an Deck auf ihren Booten sitzen. Ein schönes Plätzchen mit Aussicht auf das Wasser. Nebenan gibt es den Campingplatz La Louvière. In Soing-Cubry-Charentenay gibt es den kleinen Gemischtwarenladen Gadda Alain, der alles hat, was Radler und Bootsinhaber so brauchen.
In Ray-sur-Saône (Dorf mit Charakter) machen wir einen zwar ein "wenig" anstrengenden, aber sehr lohnenswerten Abstecher, bergauf durch das Örtchen, zum gleichnamigen Château. Das Schloss Ray-sur-Saône ist eine ehemalige Burg aus dem 10. Jahrhundert, die im 18. Jahrhundert im klassischen Stil umgebaut wurde. Seit dem Hochmittelalter schützt ein aus Burgen bestehendes Verteidigungssystem das obere Saône-Tal. Die imposante Festung von Ray-sur-Saône war einer dieser strategischen Orte, doch der Zehnjährige Krieg von 1636 bis 1646 trug zu ihrer Zerstörung bei. Das Schloss gehört seit der Schenkung von Diane Baconnière de Salverte vom 29. Mai 2015 dem Département Haute-Saône. Diane Baconnière de Salverte war die 33. Generation von zehn Jahrhunderten an Abstammungslinien, die das Schloss bewohnte. Unvorstellbar. Zehn Jahrhunderte im Familienbesitz. Es befindet sich in einem perfekten Erhaltungszustand; der Park kann kostenlos besichtigt werden. Aufgrund seines inneren und äußeren Reichtums gehört es zu den schönsten Schlössern der Region. (Quelle: https://fr.wikipedia.org/)
Der schöne Park mit seiner Allee und dem alten Baumbestand ist ein guter Ort für ein Picknick im Schatten.
Die Bilder zeigen welch Glück wir mit dem Wetter hatten, über uns wölbte sich den ganzen Tag eine traumhafte blaue Kuppel. Wolken wie Wattebäuschchen am Himmel und unter uns zumindest meistens recht frischer Asphalt. Wie sensibilisiert man auf die Bodenbeläge reagiert. Nach 800 km ist man in der Lage das Alter und die Qualität des Bodenbelages mit jeder einzelnen Zelle des Gluteus minimus am Sattel zu erspüren. Und die Bodenbeläge sind bis auf dieses Teilstück und die Verbindung nach Dijon ausnehmend gut und in der Regel neu und gut gepflegt.
In Autet gab es den La Plage Autet, einen kleinen Strand am Ufer der Saône mit einer sehr gut ausgestatteten Imbissbude und wir haben uns zwischen die französischen Großfamilien gesetzt, die am Sonntag den Ausflug mit der kompletten Familie genossen. Die Pommes frites waren ausgezeichnet.
Unweit von Quitteur, gegenüber von Vereux ereilt uns die erste Panne. Wir machten Rast an einem der vielen Schleusenhäuschen, hier stand direkt neben der Schleuse ein Baum und im Schatten dieses Baumes eine schöne Bank. Und zum Ende der Pause war dann der Reifen platt. Ich habe mich fast gefreut, zum Entsetzen meiner Frau, aber so habe ich das ganze Werkzeug nicht umsonst mitgeschleppt.
Das Kanalhäuschen war eines der wenigen bewohnten und als die Familie unser Schicksal erblickte, eilte man direkt zur Hilfe. Gefragt wurde nach Wasser? Kaffee? Luftpumpe? Die große Luftpumpe habe ich dankbar angenommen. ÖH, ja, die gerne. Der Schlauch scheint einen Ermüdungsriss zu haben. Den muss ich zu Hause mal austauschen. Das Ereignis wurde hinreichend von der Familie fotografisch gewürdigt und Details der E-Bike Ausstattung meiner Frau besprochen. Inklusive einer kleinen Probefahrt. Woher wir kommen? Von Koblenz. "Mais ce n'est pas possible !"
Am späten Nachmittag erreichen wir unsere luxuriöse Unterkunft direkt am alten treppenförmig angelegten Schiffsanleger von Gray. Nach einer erfrischenden Pause und Dusche im klimatisierten Appartement erkunden wir Gray, eine Stadt, die bereits im 16. Jahrhundert wohl wie keine andere von der schiffbaren Saône und später vom Kanal profitierte.
Gray leidet wie viele kleine Städte in der Provinz an der mangelhaften finanziellen Ausstatttung der unteren und mittleren Einkommensgruppen im den ländlichen Regionen Frankreichs, etwas, was den Rechten enorm viel Auftrieb verschafft. Schade, Gray ist ein sehr schöner Ort, war bestimmt einmal ein sehr schöner Ort, leidet aber an zu viel Leerstand. Wir finden nach ein wenig Sucherei eine geöffnete Pizzeria und verzehren sie vor dem schönen Rathaus im Renaissance-Stil aus dem 16. Jahrhundert. Den Sonnenuntergang genießen wir von der schönen Bogenbrücke über die Saône, der richtige Abschluss für unseren vorletzten Urlaubstag.
Daten:
Orte entlang der Route: Corre, La Baisse Vaivre, Ormoy, Cendrecourt, Jussey, Gevigney-et-Mercey, Fouchécourt, Port-sur-Saône, Ferrières-lès-Scey
Übernachtung: La Rose du Cédre, 20 Quai Villeneuve, 70100 Gray
Link: https://www.bikemap.net/de/r/10295420/
Tag 12 - Von Gray nach Dijon - 85 km
Die Versöhnung mit der Katastrophe
Am — geplant letzten Reisetag — ging es von Gray ein kurzes Stück entlang der Saône, um diese schließlich Lamarche-sur-Saône zu verlassen. Über Schotterpisten und kleine unbefahrene Nebensträßchen ging es dann nach Dijon, wo uns eine Katastrophe erwartete.
Solltet Ihr jemals selbst ein luxuriöses Ferienappartement einrichten wollen, mit transparenten Scheiben zwischen Schlafraum und Bad, richtet bitte keine automatische 100 Watt-Beleuchtung im WC ein, die angeht, wenn jemand nachts aufs Klo geht.
Ansonsten haben wir tatsächlich mal gut geschlafen, aber für die ganze Reise durch Frankreich gilt, französische Betten sind nicht unseres.
Das wir vor unserer Abreise am nächsten Tag noch etwas von Dijon sehen wollten, stehen wir tatsächlich schon um halb sechs auf und sitzen um sechs Uhr morgens schon auf dem Sattel unserer Drahtesel. Wir werden wenige Minuten später mit einem grandiosen Sonnenaufgang über Gray belohnt. Die Fahrt durch den kühlen Morgen entlang der Saône ist wunderbar, ab und zu schwadern graue Nebel über dem Fluss. über uns keine Wolke im Orange-Blau-Gradienten.
Bereits kurz vor Essertenne-et-Cecey müssen wir uns zum ersten Mal von der Saône trennen. Der Weg führt uns nach Talmay, beides verschlafene Orte, in denen höchsten eine Bürgersteig-kehrende Madame einen müden Blick zu wirft. Auf gerade Strecke geht es zurück zum Fluss, den wir noch bis Lamarche-sur-Saône begleiten. Hier nehmen wir traurig Abschied vom Voie Bleue, mit dem wir es jeden Tag gut hatten. Wir folgen der Véloroute de la Marne à la Saône, es geht teils über ausgewaschenen Schotter bis Tellecey, dann mit sanften Schwüngen durch Wälder und eine gewellte Landschaft mit abgeernteten Feldern über Vaux-sur-Crône bis Remilly-sur-Tille. Schließlich erreichen wir nach einigen unnötigen Umwegen Quetigny und schließlich die Vororte von Dijon.
Wir sind da!
Ein Grund, warum ich die Fahrt zu einem Ziel so sehr bevorzuge ist, dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn man es erreicht. Es ist heiß, wir müssen ein gutes Stück auf einem Radweg entlang einer Hauptstraße fahren, aber wir haben es geschafft, da steht es, das Ortsschild, wir sind in Dijon.
Durch die laute, aber schöne Stadt radeln wir am Bahnhof vorbei zu unserem Auto, hoffen, dass es noch da ist. »Da steht es«, ruft meine Frau.
Die Katastrophe
Aber warum steht es so schief? Wir sehen es Augenblicke später! Zwei Räder wurden geklaut!
Das macht uns fertig. Wie kann das sein? Die Gegend sieht doch so gut aus! Sah so gut aus, wie ich eine Stunde später dann wusste. Ihr erinnert Euch? Mit dem Auto wollten wir nach Hause fahren.
Wir rufen den ADAC an. Meine Frau besorgt etwas zu trinken, inzwischen hält ein Auto der Police Municipal. Tja, sie haben ihr Auto in der schlimmsten Gegend von Dijon geparkt. Es gibt keine schlimmere Gegend, hier hat es schon Schießereien mit Maschinengewehren gegeben. Unser Auto stand gegenüber einem Kindergarten. Alles safe. Ich irrte.
Die Polizisten sind nett und sie nehmen sich Zeit. Wir unterhalten uns über die Reise, ihren Job, unsere Jobs, unsere Familien. Der Abschleppwagen kommt. Machen Sie ein Foto von der Adresse. Wer weiß, sagt der Polizist. Wir sind ein wenig traumatisiert. Ich nahm naiv an, der Abschlepper kommt mit zwei Ersatzfelgen, Fehlanzeige. Er zieht das, unser Auto auf den Abschleppwagen, ja, sagt er, er kümmert sich, Felgen, das wird schwierig, es gibt keine in dieser Gegend von Frankreich. Könnte bis zu sechs Wochen dauern.
Katastrophe!
Wir machen Selfies mit den Polizisten, fahren dann in die Innenstadt zu unserem Hotel, machen uns frisch, telefonieren noch mal über die Möglichkeiten mit dem ADAC. Unsere Räder stehen im Hotelzimmer, sie in den Aufzug zu bekommen, war etwas schwierig, ging aber. Zum Glück ist das Zimmer groß. Was hilft es, wir versuchen den Abend zu genießen und ich muss sagen, das ist uns tatsächlich gelungen.
Wir trinken Kaffee und Tee im gemütlichen Büchercafé La Causerie des Mondes an der Ecke Rue Vauban / Rue Amiral. Ein schönes ruhiges, erfrischend nett gepflegtes Café mit einer sehr netten Inhaberin, etwas abseits südlich der Place de Libération. Der Kuchen ist gut, Zucker hilft gegen den Schock. Wir sind ohne Räder unterwegs, schauen uns jetzt die Stadt an, geniessen trotz des Ärgers den Abend, bummeln durch die Nebenstrassen, sitzen auf Bänken herum und fühlen uns mit 85 km in den Beinen gut. Ich empfinde diesen Abend als einen sehr sehr starken Moment meiner Ehe und Beziehung zu meiner Frau. Wir sind stark. Der Abend endet im Bouillon Notre Dame, Ecke Rue Musette / Place Notre Dame. Im Abendlicht (siehe Foto) erschien es uns am ehesten die Ruhe und den Frieden verheißend, den wir suchten und das Restaurant hielt mit einer einfachen, bezahlbaren Küche sein äußeres Versprechen. Früher war hier eine Apotheke, auf dem Platz vor der Kathedrale fuhren noch Autos, als Google Streetview hier seinen letzten Besuch machte.
Meine Frau bewundert die Wasserspeier an der Kathedrale, die Innenstadt von Dijon ist ausnehmend schön, ruhig, das Auto weitestgehend verbannt, ein Elektrobus zieht seine Kreise . ganz leise und still.
Ein verrückter Tag geht zu Ende, ein Tag, der sich unendlich lang anfühlt, der aus drei Teilen bestand, wie ein griechisches Drama mit Exposition, Peripetie, Katastrophe - nur dass bei uns hinter der finalen Wendung noch ein Happy End wartete. Beziehungsweise zu warten schien. Wir ahnten ja noch nicht, wie es weitergehen würde.
Zu Dijon habe ich nicht viel geschrieben, ja, auch nicht zum Senf. Zu Dijon, Reisetipps, Städteguides über diese schöne Stadt gibt es so viele Quellen, da ist schon das Meiste gesagt und geschrieben.
Daten:
Orte entlang der Route: Gray, Mantoche, Essertenne-et-Cecey, Talmay, Heuilley-sur-Saône, Pontailler-sur-Saône, Lamarche-sur-Saône, Le Payx Neuf, Tellecey, Vaux-sur-Crône, Remilly-sur-Tille, Bressey-sur-Tille, Quetigny, Montmuzard, Dijon
Übernachtung: B&B Hotel Dijon Centre, 5 rue du Château - Place Grangier, Dijon Zentrum, 21000 Dijon, Tel: +33 380 302681
Tag 13 - In Dijon
Der eigentliche Rückreisetag
Optimistisch stiegen wir morgens aus dem Bett, frühstückten und riefen den ADAC an. Die beiden netten Polizisten hatten uns geraten, bloß nichts auf eigenen Faust in Sachen unseres Autos zu unternehmen. Ihr Ansprechpartner ist die Versicherung und der ADAC, sprechen sie immer nur mit denen.
Es stellte sich heraus, der Abschlepper hatte seit gestern Mittag gar nichts unternommen, weshalb der ADAC jetzt das Auto zu einer anderen Werkstatt abschleppen ließ. Vielleicht hieß es, könne man bis zum Nachmittag Felgen bekommen, die Chancen stünden aber eher schlecht.
Wir fragten beim ADAC nach Mietwagen mit Fahrradkapazität. Keine Chance. Selbst in 4-6 Wochen nicht. Es gibt keine Mietwagen mehr, alles wegen Corona.
Heute war unser letzter Urlaubstag, aber unsere Chancen heute noch nach Hause zu kommen waren gleich null, merkten wir schon.
Was macht man an einem solchen Tag? Wir trödelten durch Dijon, aber so richtig will keine Stimmung mehr aufkommen. Ich rufe im Büro an, denn am nächsten Tag muss ich wieder arbeiten, jetzt wohl noch einen Urlaubstag nehmen.
Die Hoffnung auf Felgen zerschlägt sich, wir brauchen ein Hotel und nehmen das Hôtel La Bonbonnière im schönen Stadtteil Talant, nordwestlich vom Zentrum gelegen. Talant hat einen schönen Belvédère mit Aussicht auf die ersten Weinberge des nördlichen Burgund, die dunkelste Kirche, die ich je gesehen habe - aus dem 13. Jahrhundert - sehr beeindruckend. Zur ehemaligen Festung von Talant gibt es eine schöne Redensart: »Qui voit Talant n’est pas dedans« - Wer Talant sieht, ist noch lange nicht drin. Die hervorgehobene Lage machte es möglich, dass man die betürmte Burg schon von sehr weit sehen konnte, es wird geschrieben sogar zum Jura-Gebirge und bis zum Mont Blanc soll die Sicht gereicht haben.
Abends unternehmen wir nicht mehr viel. Wir sind müde und von der unsicheren Lage mental erschöpft. Wir spaziere durch Talant, blicken von der ehemaligen Festung hinunter auf den Lac Kir. Bewundern die Kirche, essen ein paar Kekse, Baguette und Salami auf dem Zimmer.
Am nächsten Morgen frühstücken wir - sehr gut - und rufen den ADAC, die Werkstatt an. Nicht Neues. Wir gehen wieder spazieren, checken aus dem Hotel aus.
Wir warten die Beerdigung ab, dann können wir endlich L'église Notre-Dame de Talant besichtigen, am Abend zuvor noch geschlossen. Beeindruckend, beeindruckend dunkel. Noch hängt der Geruch von Weihrauch in der Luft, wir sind still.
Unweit der Kirche gibt es noch einen sehr schönen erhaltenen Hauseingang aus der Renaissance.
Der ADAC ruft an, mittags wird das Auto fertig. Wir sind dankbar und machen uns auf den Weg. Und kommen in den schlimmsten Regenguss unserer ganzen Reise. Bis auf die Knochen durchnässt er uns, an einer Bushaltestelle wischt uns der Bus mit dem Scheibenwischer schwallweise das Wasser ins Gesicht.
In der Werkstatt zieht sich meine Frau hinter einem Reifenstapel um, wir bezahlen die heftige Rechnung, beladen das Auto und starten um 14 Uhr zurück in Richtung Deutschland und kommen um 23 Uhr wieder zu Hause an.
Erschöpft, glücklich, voll. Eine tolle Reise.
Daten
Übernachtung: Hôtel La Bonbonnière, Dijon Talant
Conclusio
Der Radwanderweg La Voie bleue ist ein Radweg von internationaler Bedeutung, verbindet er, zusammen mit seiner nördlichen Verlängerung nach Brügge, doch 4 Länder miteinander und stellt eine der bedeutsamsten Radrouten in den Süden Frankreichs dar. Wir sind mit unseren Rädern von Koblenz entlang der Mosel bis Schengen, dann den Voie Bleue bis östlich von Dijon und haben ebendort unsere Reise beendet. Eine wunderschöne, leicht zu fahrende und sehr zu empfehlende Tour.
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