Die Rose Rambling Rector

Der büschelige, umherschweifende Pfarrer

Sie müsste eigentlich Mille Fleur heißen, diese Rose. Mit einem ähnlichen Klang wie das französische Wort Mille-feuille für einen Kuchen, der nur aus Blätterteig besteht.

Die Geschichte dieser Rose liegt im Dunklen, sie führt unter anderem zurück auf den englischen Gärtner Thomas "Tom" Smith, und hat entfernt etwas zu tun mit dem schlesisch-preußischen Juristen Max Ernst Wichura, der 1817 in Neisse geboren wurde. Die Geschichte dieser Rose führt uns ins irische An tIúr (die Eibe), der Stadt , deren Geschichte bis ins Jahr 1144 zurückreicht. Die Geschichte dieser Rose hat trotz ihres Namens nichts mit einer Schule zu tun - wahrscheinlich - sondern wahrscheinlich mit einem Pfarrgarten im östlichen Irland.

Die Rede ist von der Rose Rambling Rector und sie macht uns in unserem Garten seit sieben Jahren überglücklich. Nur an einem einzigen Tag im Jahr verfluche ich sie, denn dann muss ich sie schneiden. Sie hat die schlimmsten Dornen von allen Rosen in unserem Garten. Trotzdem liebe ich diese Rose aus vollem Herzen, denn ihre Blüte Anfang Juni ist ein großes, eigentlich ein zu großes Geschenk der Natur an das Herz des Betrachters. Ich versuche sie in vielen Fotos zu würdigen, aber man muss sie selbst erlebt haben. Am frühen Morgen, wenn man mit einem frischen Kaffee das Haus verlässt, ist die ganze Luft erfüllt von ihrem unvergleichlichen und zarten frischen Duft, den die tausende und abertausende Blüten ausströmen. Für eine Zeit von ein bis drei Wochen schenkt sie uns meist Anfang bis Mitte Juni eine summende weiße Wolke. Hunderte Bienen, die sich zum Aufstieg in unserem Salbei zuvor gestärkt haben, fliegen die Blüten an. Es summt und brummt unter ihr - es ist das Zeichen, dass das Frühjahr endgültig vorbei ist - der Sommer ist da.

Inhaltsverzeichnis

  • [1] - Die Geschichte der Rosa wichuraiana
  • [2] - Die Daisy Hill Nursery in Newry, Nordirland
  • [3] - Die Rose einer kleinen Pfarrei
Rambling Rector

Ein kletterndes Wunder

Die Rose Rambling Rector ist eine sogenannte Rambler-Rose. Diese Bezeichnung geht auf das englische Wort ramble - umherschweifen zurück. (Anmerk.: Insofern passt sie perfekt zu mir.) Rambler-Rosen gibt es noch nicht so lange, ihre Züchtung begann Anfang des 19. Jahrhunderts. Durch Einkreuzung der chinesischen Büschelrose Rosa multiflora und der Rosa wichuraiana entstand eine neue Gruppe von teilweise extrem stark kletternden Rosen. Bereits im zweiten Jahr entwickeln die Ramblerrosen bis zu 6 m lange Triebe, an denen im nächsten Jahr die Blütendolden entstehen. Sie können bis zu 10 m hoch ranken und entfalten im Frühsommer mit ihren Blütenbüscheln von kleinen wildrosenartigen Blüten eine verschwenderisch wirkende Blütenpracht. Es gibt unterschiedlich stark wachsende Sorten und die meisten, bis auf die remontierende Rose New Dawn blühen nur einmal im Jahr. Wer sich eine Ramblerrose zulegen möchte sollte auf jeden Fall ausreichen Platz zur Verfügung haben. Besonders gut eignen sich Ramblerrosen zur Berankung von großen Hauswänden (bei regelmäßigem Schnitt) und alten Bäumen, in denen sie sich selbstständig bis in die Krone ausbreiten. Die Rose ist sehr robust gegenüber Schädlingen und Blattkrankheiten, das Laub ist durchweg gesund grün.

Wir haben uns im schönen Garten von Vita Sackville-West mit dem weißen Kletterrosen-Virus infiziert. Im weißen Garten von Sissinghurst ist es aber eine Rosa R. mulliganii, die dort die elegant von ihrem Mann Harold Nicolson entworfen worden ist. Als Rankhilfe habe ich im April 2015 aus Pechkiefer überblattete Rosengitter geschreinert, die an unsere renovierte Ziegelfassade geschraubt sind. Worauf man zumindest besonders zu Anfang achten sollte ist, dass die Austriebe nicht hinter dem Gitter wachsen. Die Triebe werden mit den Jahren bis zu handgelenkdick und ziehen jeden Dübel aus der Wand. (Ich habs es gesehen). Zu Anfang haben wir eine Rose Rambling Rector und eine Rose Seagull gepflanzt. Sie sind sich sehr ähnlich, in vielen Foren wird sogar vermutet, dass es sich um die gleiche Rose unter verschiedenen Namen handelt.

Zwei der drei Rosengitter fertig montiert an unserer frisch neu verfugten Schmiedenwand im Jahr 2015
Zwei der drei Rosengitter fertig montiert an unserer frisch neu verfugten Schmiedenwand im Jahr 2015
Max Ernst Wichura

Die Geschichte der Rosa wichuraiana

Max Ernst Wichura

Max Ernst Wichura (* 27. Januar 1817 in Neisse; † 24./25. Februar 1866 in Berlin) war ein schlesisch-preußischer Jurist, Regierungsrat und botanischer Reisender. Er studierte 1836–39 Jura in Breslau und Bonn, war 1851–1857 Stadtrichter in Breslau, wechselte dann in die Verwaltung und wurde 1859 zum Regierungsrat in Breslau ernannt. Er unternahm mehrere botanische Reisen. Auf Vorschlag der Akademie der Wissenschaften begleitete er, zusammen mit dem Zoologen Eduard von Martens, dem Gärtner Otto Schottmüller , Stabsarzt Carl Friedel und Ferdinand von Richthofen, ab Herbst 1859 die preußische Expedition auf der SMS Thetis (1855) als Botaniker nach Ostasien. Sie besuchten Madeira, Rio de Janeiro, Singapur, Manila und verschiedene Küsten des chinesischen und japanischen Reiches. Nach seiner Rückkehr im Sommer 1863 erhielt er Ende 1865 Urlaub, um seine Pflanzensammlung in Berlin zu bearbeiten. Er erlag dabei einer Kohlenmonoxidvergiftung.

Quelle: Wikipedia

Ohne die Rosa wichuraiana gäbe es keine Ramblerrosen. Die Rosa wichuraiana kam durch den schlesisch-preußischen Juristen Max Ernst Wichura nach Europa. Er sammelte sie bei einer Mission im Auftrag der Akademie der Wissenschaften - gemeinsam mit anderen Botanikern und Geographen an Bord der ehemals britischen Segelfregatte MS Thetis - in Japan für den botanischen Garten in Berlin. Das Artepitheton (einer artspezifischen Bezeichnung, die nach der Gattung angefügt ist) ehrt den Juristen dafür, die Varietät wurde allerdings bereits 1871 unter dem Namen Rosa lucieae durch Adrien René Franchet und Alphonse Trémeau de Rochbrune beschrieben. Mit ihrem Artepitheton ehrten sie Madame Lucie Savatier. Ursprünglich ist die Rose in Korea, auf den Philippinen, den japanischen Inseln und in einigen Provinzen Chinas verbreitet.

Quelle: Alan Grills, A famous irish nursery, Daisy Hill Nurseries siehe Quellen
Quelle: Alan Grills, A famous irish nursery, Daisy Hill Nurseries siehe Quellen
Thomas Smith

Die Daisy Hill Nursery in Newry, Nordirland

Iúr Cinn Trá, "die Eibe am Ende des Ufers". Der alte irische Name spielt auf eine Legende an, nach welcher der heilige Patrick von Irland am Rande des Clanrye Rivers im fünften Jahrhundert eine Eibe gepflanzt haben soll. Später wurde aus diesem klangvollen Namen die englische Bezeichnung Newry für diese Stadt am Ufer des Newry Rivers, in der Grafschaft Down, des heutigen Distrikts Newry, Mourne and Down. Hier befand sich von 1887 bis 1990, über 100 Jahre lang, eine der bedeutendsten Baumschulen Nordirlands und Europas.

Die Anfänge

1870 antwortete ein Gärtner auf eine Anzeige einer kleinen Baumschule, die zu diesem Zeitpunkt noch Mr. J. A. Daly gehört. Dies war der Tag, der die Daisy Hill Nursery (Nursery für Baumschule) zu einer der bedeutendsten Irlands machen sollte. Dieser Gärtner und spätere Züchter war Thomas "Tom" Smith, der Sohn eines Gärtners aus Birmingham, der seine Karriere als Gartenjunge von 13 Jahren in dem kleinen Garten von Mr Gladstone in Edgbaston, Birmingham begann. Mit fünfzehn Jahren wechselte er in den Garten von Witley Court, dem Sitz des Earl of Dudley. Das herrschaftliche Anwesen verfügte über einen großen, von William Nesfield gestalteten Garten. Der Landsitz, mit einem der größten Brunnenanlagen Europas, brannte 1937 komplett aus und gehört nunmehr dem English Heritage.

Gründung 1887

Nach seiner Zeit dort wechselte Thomas Smith zu dem Gärtner und Züchter (nurseryman) Hugh Low & Co in Clapton. Danach wurde er Vorarbeiter bei Veitch & Son Ltd in Chelsea, wo er drei Jahre blieb. Mit Ausstellungsbepflanzungen für die Internationale Ausstellung in Paris (mit Azaleen) und in Hamburg (mit Geranium) für seinen neuen Arbeitgeber John Smith machte er sich einen Namen. Bis 1887 arbeitete er für John Smith, Dulwich in der kleinen Baumschule in Newry, bis er zwei kleine 2 Hektar große und mit Gänseblümchen bewachsene Wiesen kaufte. Der Boden war für seine Pläne ideal, lehmig, leicht sauer. Unter seinen geschickten Händen expandierte die Baumschule schnell und er machte sich international einen Namen. Er kaufte weiteres Land hinzu, bis er über eine Fläche von 60 Hektar verfügte. Zu den besten Zeiten beschäftigte der Betrieb 80 Frauen und Männer. Dies war die Zeit, zu der die Gärtnerei den angesehensten Grundstock an Pflanzen vielleicht in ganz Europa bereit hielt. Ständig wurden vor allem aus Asien neue Pflanzen importiert, der Betrieb hielt 5000 verschiedene Pflanzen vor, davon über 600 verschiedene Rosen. Die Daisy Hill Nursery zeichnet verantwortlich für über 200 neue Sorten, darunter so klangvolle Ginstersorten (Cytisus albus) wie Firefly, Dragonfly, Mayfly, Moonlight und Daisy Hill.

Die Gärtnerei wurde berühmter, Thomas Smith mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet, als erster irischer Züchter mit der Victoria Medal of Honour. Sie war über die Grenzen Irlands und Großbritanniens bis nach Nordamerika und Japan bekannt. Ab 1897 brachte die Gärtnerei eigene Kataloge heraus.

Die Kinder und die schwierige Zeit nach dem 1. Weltkrieg

Thomas Smith starb 1919 mit 79 Jahren, aktiv bis ans Ende seines erfüllten Lebens. Er hinterließ 2 Söhne und 6 Töchter. Seine Söhne führten die Arbeit des Vaters fort, hatten aber mit dem Ende des ersten Weltkriegs mit vielen Problemen zu kämpfen, weil die niederländischen Zuchtbetriebe massiv den englischen Markt bedrängten. Unter den Händen der Söhne änderte sich der Charakter der Gärtnerei, es wurden Bänke aufgestellt, jedermann konnte sich auf dem Gelände zu seinem Vergnügen aufhalten. Viele Gärtner führten in Folge die Gärtnerei bis zu ihrem Ende 1990 fort.

Warum die Gärtnerei schließen musste? Aus ähnlichen Gründen wie hier viele traditionelle Gärtnereien ihren Betrieb einstellen: Sie kommen nicht gegen den Wettbewerb mit den Baumärkten und Gartencentern und die Gedankenlosigkeit und Unkenntnis der Kunden an. Viele Menschen möchten gerne große blühende Pflanzen kaufen, darauf haben sich die Gartencenter spezialisiert, bieten dafür aber nur noch eine Sorte Salbei oder Geranium an, wobei es derer Dutzende wenn nicht Hunderte gibt. Hauptsache voll erblüht und groß ist die Pflanze. Es gibt in Wuppertal den traditionellen Zuchtbetrieb von Arends Maubach, den Georg Arends 1888 gegründet hat, aber dieser Betrieb musste sich ebenfalls stark umstellen, da leider viele Menschen nicht bereit sind, für eine lokal gezüchtete Pflanze 2 Euro mehr auszugeben, wobei diese dann noch um ein Drittel kleiner ist.

Es gibt in Willich die traditionelle Staudengärtnerei Diana und Johan van Diemen, die ich sehr empfehlen kann und die immer einen Besuch wert ist. Es gibt gute, sehr gute Gründe in Gärtnereien zu kaufen. Oftmals haben sie Varietäten in der Züchtung, die selten und besonders sind, die von der 0815-Ware der großen Gartencenter abweichen. Meist ist die Beratung exzellent und in der Gärtnerei van Diemen gibt es einen sehr schönen Schaugarten, während es in Wuppertal Ronsorf bei Arends Maubach einen sehr schönen Schaugarten gibt und ein sehr nettes Cafe.

Stand der Dinge 2019, die Rose blüht wirklich sehr zuverlässig
Stand der Dinge 2019, die Rose blüht wirklich sehr zuverlässig
Finis: Was hat das alles mit dem Rambling Rector zu tun?

Die Rose einer kleinen Pfarrei

Wie ich herausgefunden habe, wird die Rose Rambling Rector zum ersten Mal in dem Daisy Hill Nursery Rosenkatalog von 1912 erwähnt. Thomas Smith soll die Rose im Garten eines kleinen Pfarrhofs (vicarage garden) entdeckt haben. Und der Name eines Pfarrers kann im Englischen auch Rector heißen. Dies zumindest schreibt die Irish Garden Plant Society zur Rose Rambling Rector auf ihrer Website. Der englischen Gartenbauer und Rosenzüchter Graham Stuart Thomas wird über diese Rose zitiert: "eine sehr alte Sorte mit großen Büscheln duftender, halbgefüllter Blüten, die anfangs cremefarben sind und sich dann weiß mit gelber Mitte öffnen".

Die Zeit, in der diese Rose blüht ist kurz. Es gilt jeden Moment zu geniessen. Im Frühjahr nach dem Schnitt, wenn meine Hände voller Stacheln sind, werde ich dieser wunderbaren Momente und diesem atemberaubenden Anblick gedenken.

Photo: Thomas Schürmann - Die Rose Rambling Rector: ramblingrector-20200827-001
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tl, dr;

Die Rose Rambling Rector ist einer der Stars unseres Gartens. Sie trennt den Hof vom Garten. Sie blüht nur einmal im Jahr, aber dann mit tausenden von Blüten. Sie hat eine spannende Herkunftsgeschichte.

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