Die Dame und das Gesetz

Der vermutlich erste Kriminalroman mit einer weiblichen Detektivin

Ein kurze Rezension des Kriminalromans »Die Dame und das Gesetz« des viktorianischen Schriftstellers William Wilkie Collins (1824 – 1889).

Gekauft habe ich das Buch, weil ich schon lange Kriminalromane lese und ich zum 200. Geburtstag des Autoren Wilkie Collings bei Bluesky auf ihn auf ihn aufmerksam gemacht wurde. Der unter dem Titel »The Law and the Lady« 1875 bei Chatto und Windus, London, erschienene Detektivroman gilt als der erste Kriminalroman, dessen Detektivin eine Frau ist. Möchte man es genauer sagen, eine Lady. Der Roman enthält Elemente der gothic fiction, auf deutsch der Schauerliteratur (begründet von Horace Walpole mit seinem Roman »Das Schloss von Otranto«). Im Kampf gegen das Gesetz, die Rolle der Frau in der Gesellschaft und die allgegenwärtigen Männer, die es für die junge Dame immer besser wissen, hat der Roman neben der Ermittlung und Aufdeckung der wahren Geschichte (das Crime-Element) durch aus seinen Gewissen Reiz. Wenn da nur nicht die völlig veraltete Übersetzung und die vielen Fehler wären. Hätte ich beim Kauf nur gewusst, was ich später erlebte! Und so enthält dieser kurze Beitrag selbst Elemente eines Krimisubgenres, des »Had I but known«-Romans - hätte ich es nur gewusst!

Im Kampf mit dem Gesetz

Die verlassene Ehefrau als Detektivin

Die Geschichte ist schnell erzählt. Die junge Valeria Brinton heiratet gegen den Willen der Verwandten Eustace Woodville. Schon bald nach der Hochzeit stellt sich heraus, dass es im Leben des Gatten ein schlimmes Geheimnis gibt, über das niemand mit der jungen Braut reden möchte. Der Gatte trägt einen falschen Namen, die Mutter des Gatten hatte vergeblich versucht, die Hochzeit aus Rücksicht auf die Braut zu verhindern. Valeria kann gar nicht anders, als das Geheimnis ihres Gatten aufzudecken. Es geht um ihre Ehre, die Wahrhaftigkeit ihrer Liebe und die Ehre ihres Mannes, also um Alles. Dabei hat sie natürlich mit zahlreichen Hindernissen und gut charakterisierten Figuren zu kämpfen. Ohne weiter zu spoilern, es stellt sich Folgendes heraus: der Gatte stand für den Giftmord an seiner ersten Frau wegen Mordanklage vor einem schottischen Gericht und dieses hatte ihn nicht freigesprochen. Statt dessen entliess man ihn unter dem im Roman sogenannten schottischen Verdikt »nicht bewiesen« in die Freiheit. Dieser Freispruch aus Mangel an Beweisen war zu viktorianischen Zeiten ein Schandmal für den Betroffenen. Und während sich der Gatte aus Scham in einen ungenannten Krieg in Spanien stürzt, ist die Liebe der Strohwitwe groß genug, dass sie diesen Makel am Ansehen ihres Mannes reinwaschen möchte.

Erfahrene Krimileser wissen, Gift ist in Kriminalromanen meist die Waffe einer Frau. Aus der Ich-Perspektive erzählt liest sich das durchaus unterhaltsam, nur Sprache und ganz besonders der Begriff ›Weib‹ stellen bei der Lektüre heftige Stolperfallen dar.

Foto von Cundall, Downes & Co, Bond Street, London ~1864.
Foto von Cundall, Downes & Co, Bond Street, London ~1864. / Link : https://en.wikipedia.org
Voller Vehler

Die Übersetzung und die Orthografie

Wilkie Collins

William Wilkie Collins, geboren am 8. Januar 1824 als Sohn der Harriet Geddes und des Londoner Malers William Collins lebte eine Zeit lang in Italien und Frankreich, arbeitete dann für eine Zeit als Teehändler. Er war war ein englischer Romancier und Dramatiker, der vor allem für The Woman in White (1859), einen Kriminalroman und frühen Sensationsroman, und für The Moonstone (1868) bekannt ist, der viele der Grundregeln des modernen Detektivromans festlegte und vielleicht auch das früheste eindeutige Beispiel für das Genre der polizeilichen Ermittlungen ist. Nach 1850 lernte er den Autoren Charles Dickens kennen, war Zeit seines Lebens mit ihm befreundet und arbeitete gemeinsam mit ihm an Dramen und Belletristik. Collins starb nach langer Krankheit am 23. September 1889. Er wurde 65 Jahre alt.

https://en.wikipedia.org/wiki/Wilkie_Collins

Ein anderer Grund, warum ich diesen kurzen Beitrag schreibe, ist die Ausgabe, die ich erstanden habe:

Wilkie Collins
Die Dame und das Gesetz
Erstdruck 1875. Übersetzung: Adolf von Winterfeld.
Auflage 1. Europäischer Literaturverlag GmbH, Berlin 2018
ISBN 978-3-95909-252-4

Der Verlag schreibt im Vorsatz: Die Orthografie wurde der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst und die Interpunktion behutsam modernisiert.

Nun. Das stimmt soweit. Hätte man ... Das Erste worauf ich hätte schauen sollen ist der Übersetzer. Adolf von Winterfeld (1824 – 1889) – Geburts- und Todesjahr mit dem Autoren sind eine seltsame Koinzidenz – war ein deutscher Militäroffizier, Übersetzer und Schriftsteller. Hätte ich das nur vorher geahnt. Ich las dann also:

»Nie sah ich ein Weib, das mir so sympathisch war, als Du es bist, und das mir so süßen Trost gewährte. ist hart Dich zu verlieren, es ist hart, in das freudlose Leben zurückzukehren.«

Weib? What? Da hatte ich ja noch nicht aufmerksam nach dem Übersetzer geschaut. So las ich dann im englischen Original nach, weil ich dachte, so gut ist dein Englisch jetzt nicht, vielleicht nutzte man im 19. Jahrhundert ja noch Begriffe für Frauen, die heute gänzlich überholt sind. Und das stimmt, aber anders als ich dachte.

Und was stand da:

»I have never found in any other woman the sympathy with me, the sweet comfort and companionship, that I find in you. Oh, it is hard to lose you! it is hard to go back again to my unfriended life!«

Jetzt musste ich erst einmal etwas lernen, denn das Wort Weib hat ebenso wie andere Wörter in der deutschen Sprache eine über die letzten zwei Jahrhunderte reichende Bedeutungsverschlechterung erfahren. Niemand kann - meiner Meinung nach - heute noch Weib schreiben, ohne dass es abwerten oder schmähen würde. Als Schimpfwort geht es vielleicht durch. Oder im scherzhaften familiären Umfeld. Nur im 17. und 18., vielleicht sogar auch im 19. Jahrhundert war es bis zur Einführung des Wortes Dame – dem zunehmendem französischen Einfluss geschuldet – durchaus üblich Weib zu sagen. »Mann und Weib und Weib und Mann / Reichen an die Gottheit an« heißt es noch in selbstverständlich in Mozarts Zauberflöte.

Dafür gibt es also ebenso eine Erklärung wie für die manchmal aus heutiger Sicht etwas ungelenke Sprache und Grammatik.

Wofür ich aber überhaupt kein Verständnis habe, wenn ich Geld für ein Buch ausgebe, ist zum einen schlechter Textsatz (die Buchstaben verlaufen manchmal in merkwürdigen Wellen) und zum Zweiten, bedeutsamer noch, eine wirklich auffällig fehlerhafte Orthografie. Ich weiß, ich bin selbst kein guter Lektor meiner selbst, aber wenn ich es schaffe, bekommt eigentlich immer jemand meine Texte zur Korrektur, bevor ich sie veröffentliche. Und ich lese sie mir immer einmal laut vor.

Aber die vielen Fehler machen die Lektüre dieser neuaufgelegten Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert teils zu einem echten Missvergnügen. Ein paar Beispiele gefällig?

»Erging an meiner Seite« (S. 15 Mitte)

» Nein Es war zwischen uns ausgemacht worden, seiner Mutter nicht zu erwähnen ...« (S. 25, gleich zwei Fehler in einem Satz)

»... ich habe kein anderes Gefühl als das der Sympathie für sie. Hatten sie mich vor ihrer Heirat um Rat gefragt, ...« (S. 38)

Und so geht es im Buch weiter. Bin ich zu pingelig?

Weil ich selbst viel digitale Texterkennung betreibe, hatte ich eine Vermutung und schaute mal, was ELV sonst noch verlegt. Im Grunde samt und sonders gemeinfreie Texte, deren Urheberrecht abgelaufen ist. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Es sind nur die gleichen Tippfehler, die sich auch in der öffentlich zugänglichen Übersetzung auf Wilkiecollins.de befinden. Trotzdem ist der dort wiedergegebene Text in anderen Teilen auch nicht der gleiche wie der hier abgedruckte.

Neue Übersetzung

Frischer aber womöglich vereinfacht

ielleicht sollte man also zur neuen Übersetzung greifen, die Sebastian Vogel neu übersetzt 2018 im Eigenverlag unter der ISBN 978-3-746719-14-6 herausgegeben hat. Der Titel lautet abweichend: »Eine Frau will Gerechtigkeit«

Nur leider, der Auszug, den ich bei Google Books gelesen habe, lässt mich zwar auf eine moderne Sprache hoffen, nur leider eben auch auf eine einfachere, die dem Original auch nicht gerecht wird.

Vielleicht macht das ein etwas längerer Auszug von Seite 15 deutlicher.

Adolf von Winterfelds Übersetzung

Er wollte nicht darauf hören, sondern bat mich nur, nach Hause zu gehen und die Kleidung zu wechseln. Ich machte mir nichts aus der Durchnässung, aber ich gehorchte ihm, ohne zu wissen, warum.

Erging an meiner Seite. Mein Heimweg zum Pfarrhause war sein Heimweg zum Gasthof.

Er hatte unsere Gegend ausgesucht, erzählte er mir, nicht allein des Fischens, sondern auch der ruhigen Zurückgezogenheit wegen. Er hatte mich schon einige Male von seinem Fenster aus bemerkt; er fragte mich, ob ich des Predigers Tochter sei. Ich klärte ihn auf über meine Verhältnisse. Ich erzählte ihm, dass der Prediger meiner Mutter Schwester geheiratet, und dass die beiden dann, nach dem Tode meiner Eltern, Vater- und Mutterstelle bei mir vertreten hätten.

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Sebastian Vogels Übersetzung

Er hörte nicht darauf, sondern forderte mich auf, nach Hause zu gehen und die nasse Kleidung zu wechseln. Mir machte die Nässe nichts aus, aber ich gehorchte ihm, ohne zu wissen, warum.

Er begleitete mich. Mein Rückweg ins Pfarrhaus war auch sein Rückweg zum Gasthaus.

Wie er mir erzählte, war er nicht nur wegen der Fischerei in unsere Gegend gekommen, sondern auch wegen der Ruhe und Zurückgezogenheit. Mich hatte er vom Fenster des Gasthauses aus schon ein- oder zweimal gesehen. Jetzt fragte er, ob ich die Tochter des Pfarrers sei. Ich erklärte es ihm. Ich sagte, dass der Geistliche die Schwester meine Mutter geheiratet hatte und dass die beiden seit dem Tod meiner Eltern wie Vater und Mutter zu mir gewesen waren.

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Im Original (Quelle: Gutenberg.org https://gutenberg.org/cache/epub/1622/pg1622.txt)

He would not hear of it; he entreated me to go home and change my wet dress. I cared nothing for the wetting, but I obeyed him without knowing why.

He walked with me. My way back to the Vicarage was his way back to the inn.

He had come to our parts, he told me, for the quiet and retirement as much as for the fishing. He had noticed me once or twice from the window of his room at the inn. He asked if I were not the vicar's daughter. I set him right. I told him that the vicar had married my mother's sister, and that the two had been father and mother to me since the death of my parents.

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Das ist doch eigentlich ganz interessant. Aus »He walked with me.« wird entweder »Er ging an meiner Seite.« oder moderner »Er begleitete mich.«

Deepl schlägt als Übersetzung »Er begleitete mich.« und »Er ging mit mir.« vor. Poetischer und liebevoller ist aber - in meinen Augen und etwas überraschend - Adolf von Winterfelds Übersetzung.

»Er ging an meiner Seite.«

Ist es nicht so? Steckt da nicht mehr drin, als nur nebeneinander herzugehen. Sie gingen nebeneinander her. Er ging an ihrer Seite. Er stand ihr zur Seite.

Mmh. Wie verhält es sich mit:

Adolf von Winterfelds Übersetzung

Er hatte mich schon einige Male von seinem Fenster aus bemerkt

Sebastian Vogels Übersetzung

Mich hatte er vom Fenster des Gasthauses aus schon ein- oder zweimal gesehen.

Im Original

He had noticed me once or twice from the window of his room at the inn.

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Sehen ist – meiner Meinung nach – nun mal etwas anderes als bemerken.
Vielleicht mache ich es mir zu einfach. Andererseits, Übersetzungen anzufertigen ist sehr schwer und zu Recht ein Beruf. Ich scheitere regelmässig selbst daran, auch wenn ich es immer wieder versuche. 

Vielleicht mögt Ihr Euch selbst ein Bild machen? Siehe dazu die möglichen Quellen unten

tl, dr;

Wilkie Collins Krimi ist spannend und in Teilen auch ein Sittenbild des 19. Jahrhunderts und der Rolle der Frau im Viktorianischen Zeitalter. Und: Natürlich kann man mit gemeinfreien Texten Geld verdienen. Aber etwas mehr Mühe sollte man sich bei der Herausgabe schon geben.

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