Lese, diskutiere, schreibe!

Francis Bacons berühmtes Zitat steht in der langen Tradition von Rhetorik und Logik

Es gibt Zitate, die vergisst man nie, und dieses, nachstehende Zitat des englischen Lordkanzlers Francis Bacon, ist mir bei der Lektüre des 1937 von Dorothy L. Sayers geschriebenen Romans Hochzeit kommt vor dem Fall bis heute sehr gut im Gedächtnis geblieben. Und dann kommt der Moment, in dem eins aufs Neue wieder aktuell an dieses Zitat erinnert wird. Dazu später.

Das vom ehemaligen Attorney General der englischen Krone niedergeschriebene Zitat lautet in vollständiger Schreibweise:

Francis Bacon

Reading maketh a full man; conference a ready man; and writing an exact man.

Quelle: Francis Bacon: Of studies in Essays (essay 50 of 58), 1625

Die Sekundärquelle des Zitats

Dorothy L. Sayers Busman's Honeymoon

Es geht nichts über Originalquellen. Das ist aber nicht immer so einfach, wenn eins nicht mal eben in die Regale der Bodleian Library hochsteigen kann.

Zum ersten Mal begegnet bin ich dem Autoren, beziehungsweise der gerne zitierten historischen Figur Francis Bacons in den Romanen der englischen Schriftstellerin Dorothy L. Sayers. In ihren Detektivromanen - zumeist rund um die Figur des reichen und eloquenten, eleganten und niemals um ein kluges Wort verlegenen Gentleman detectives Lord Peter Death Bredon Wimsey - wimmelt es von klugen Worten, Aphorismen und Redewendungen. Sie stehen oftmals der Handlung beiseite und tragen sie. In diesem Falle verhält es sich etwas anders, denn das Zitat wird von drei Personen in Abfolge ausgesprochen. Damit führen die Personen sich und den anderen Romanfiguren, aber ganz besonders der Leserin und dem Leser nur ihre Weisheit, Belesenheit und klassische Bildung vor Augen. Gehobene Bildung ist das, was die Figur des eleganten Detektivs in allen Romanen der britischen Autorin ein- und ausatmet, Wimsey bleibt dabei aber doch immer bodenständig, vielleicht manchmal auch gönnerhaft, immer den Lebenssituationen der anderen Figuren verbunden. Peter Wimsey hat neben seiner Fähigkeit als gebildeter Adelsspross zu glänzen, auch eine verwurzelte Erdverbundenheit, die es ihm möglich macht, sich in gehobenen wie normalen bürgerlichen und ländlichen Lebensumständen zu Recht zu finden.

Im letzten Buch der Reihe kommt es zum verdienten Happy End zwischen Lord Peter und seiner Freundin und Verlobten Harriet Deborah Vane. In den Flitterwochen im ehemaligen Elternhaus Vanes kommt es, wie es der Titel Busman's Honeymoon im Original so trefflich andeutet (Die Redewendung besagt: Der Busfahrer fährt immer mit dem Bus in den Urlaub, er kann seinem Beruf, ergo seinem Schicksal nicht entkommen) natürlich zu einem Mord, der aufgeklärt werden muss.

Somerville College Library, Wikicommons
Somerville College Library, Wikicommons / Link : https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Somerville_College_Library.jpg
Nice and imposing

Busman's Honeymoon, die Sekundärquelle

Dorothy L. Sayers, 1893

Dorothy L. Sayers, geboren am 13. Juni 1893 in Oxford und gestorben am 17. Dezember 1957 in Witham, Essex war eine englische Schriftstellerin, Essayistin und Übersetzerin. Ihre Kriminalromane, die scharfsinnige, einfühlsame Milieuschilderungen der 1920er- und 1930er-Jahre enthalten, haben ihren Ruf als eine der herausragenden British Crime Ladies begründet. Ihr Werk war zum Zeitpunkt ihres Todes weitgehend in Vergessenheit geraten. Wiederentdeckt wurde es zunächst im Rahmen der Frauenbewegung der späten 1960er Jahre.

Dorothy L. Sayers

Einige Protagonisten des Romans treffen in einer Szene zusammen, die der Erforschung der näheren Umstände eines Mordes dient. Bei diesem Zusammenkommen im Pfarrhaus und Feriendomizil der Wimseys, entspannt sich dieser Dialog zwischen Harriet Vane aka Lady Wimsey, Konstabler, Superintendent und Lord Peter:

Not at all. Seeing the Superintendent's eye fix modestly upon a spindly specimen of Edwardian craftsmanship, Peter promptly pushed forward a stout, high-backed chair with gouty arms and legs and an eruption of heavy scroll work about its head. You'll find this about up to your weight, I fancy.

Nice and imposing, said Harriet.

The village constable added his comment:

That's old Noakes's chair, that was.

So, said Peter, Galahad will sit down in Merlin's seat.

Mr. Kirk, on the point of lowering his solid fifteen stone into the chair, jerked up abruptly.

Alfred, said he, Lord Tennyson.

Got it in one, said Peter, mildly surprised. A glow of enthusiasm shone softly in the policeman's ox-like eyes. You're a bit of a student, aren't you, Superintendent?

I like to do a bit o' reading in my off-duty, admitted Mr. Kirk, bashfully. It mellows the mind. He sat down. I often think as the rowtine of police dooty may tend to narrow a man and make him a bit hard, if you take my meaning. When I find that happening, I say to myself, what you need, Sam Kirk, is contact with a Great Mind or so, after supper. Reading maketh a full man——

Conference a ready man, said Harriet.

And writing an exact man, said the Superintendent. Mind that, Joe Sellon, and see you let me have them notes so as they can be read to make sense.

Francis Bacon, said Peter, a trifle belatedly. Mr. Kirk, you're a man after my own heart.

Thank you, my lord. Bacon. You'd call him a Great Mind, wouldn't you? And what's more, he came to be Lord Chancellor of England, so he's a bit in the legal way, too. Ah! well, I suppose we'll have to get down to business.

Quelle: Sayers, Dorothy Leigh, Busman's Honeymoon., Gollancz, London, 1937

Das ganze Zitat lautet:

Francis Bacon

Reading maketh a full man,
Conference a ready man
and writing an exact man.

Quelle: Francis Bacon in Sayers, Dorothy Leigh, Busman's Honeymoon. A Love Story with Detective Interruptions. 1937, Edition used as base for this ebook: London: Gollancz, 1937

In das Deutsche übersetzt lautet das vollständige Zitat:

Francis Bacon

Lesen macht den ganzen Mann
Das Gespräch den fertigen Mann
Und Schreiben den genauen Mann.

Quelle: Francis Bacon in Sayers, Dorothy L.: Hochzeit kommt vor dem Fall, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1985, Seite 129

Wissenschaftliche Methodik

Der ganzheitlich forschende Mensch

Im Grunde ging es Bacon mit diesem Zitat um eine neue wissenschaftliche Methode. Zuerst lese! Dann diskutiere, am besten mit Gleichrangígen und schließlich und zuletzt schreibe. Steve Draper, University of Glasgow stellt fest, dass es den höheren akademischen Ausbildungsverfahren durchaus an Teilen davon mangelt. Er schreibt in einem lesenswerten Essay über das Zitat:

Steve Draper

Currently it may constitute a relevant and insightful critique of HE where there is far too little discussion by students of ideas. The measure of this is the number of minutes per day a given student is actually speaking about some intellectual idea.(...) If we were to take this as a serious educational rule, then for each course we need to consider an even division in times spent on each of reading, discussing, and writing; and also an equal weight of assessment for each.

Gegenwärtig kann es eine relevante und aufschlussreiche Kritik an HE [Higher Education, Anmerk.] geben, wo es viel zu wenig Diskussion von Ideen durch Studierende gibt. Das Maß dafür ist die Anzahl der Minuten pro Tag, die ein bestimmter Student tatsächlich über eine intellektuelle Idee spricht. (...) Wenn wir dies als eine ernstzunehmende pädagogische Regel betrachten würden, dann müssten wir für jeden Kurs eine gleichmäßige Aufteilung der Zeit für Lesen, Diskutieren und Schreiben in Betracht ziehen; und auch eine gleichgewichtige Bewertung für jeden Kurs.

Draper, Steve: Reading, discussing, writing, 2013, Übersetzung durch mich

Es wird zu wenig geredet und über Ideen diskutiert an den Hochschulen, es wird zu wenig über Bücher gesprochen. Oder über die Beziehungen zwischen Ihnen. Der Pariser Professor Pierre Bayard schreibt in seinem Buch How to Talk About Books You Haven't Read, welches ich selbstverständlich nicht gelesen habe, es komme nicht so sehr darauf an, ein Buch ganz zu lesen, es komme mehr darauf an zu verstehen, in welchen Beziehungen das Buch zu anderen Büchern und gesellschaftlichen Ideen stünde. Und es käme ganz besonders auf diese Beziehungen an.

Steve Draper

Wir lernen immer dann, wenn wir Wissen in ein neues Format umwandeln müssen.

Quelle: Steve Draper, Reading, discussing, writing, University of Glasgow, 2013

Ist es nicht genau das? Ist es vielleicht der Grund, warum ich male, was ich male und wie ich es male. Meine Sicht der Welt, meine eigene, subjektive Erfahrung des Raumes, des städtischen Raumes und der städtischen Architektur - ich male es und es verwandelt mein Wissen, meine Erkenntnis sich in eine neue Sicht- und Denkweise.

Zumindest mir geht es so, dass ich, während ich dieses kleine Essay schreibe, die gelesenen Informationen umwandle in eine neue Erkenntnis, in einen Datenhaufen von Erkenntnissen, die neu verknüpft sind. Vor allem auch, weil von Bacon beschworene neue wissenschaftliche Methode eine Tradition hat, die ganz weit hinter ihn bis zu den Römern zurückreicht. Was mir in Bacons Sinne jetzt hier fehlt, das ist das Diskutieren mit jemandem über diese hier aufgeschriebenen Gedanken und Ideen, denn dann könnte ich diese im weiteren Sinne dieses Denkers und Philosophen des 16ten und 17ten Jahrhunderts nochmals in etwas Neues verwandeln, vielleicht in einen Gedanken, der nochmal weiter und darüber hinaus führt.

Lese!

Es gibt natürlich völlig unterschiedliche Ansätze zum Lesen. Wir können ein Buch aus Spaß lesen, aus Neugier, als Teil einer wissenschaftlichen Aufgabe, aus Recherchegründen. Wir können auch einfach wie Bayard ein Buch nicht lesen, sondern nur die Beziehungen betrachten, die es als Entität im gesellschaftlichen Kontext neu definiert hat. Lesen wir, nehmen wir auf jeden Fall etwas auf, oftmals entsteht zu Büchern eine emotionale Verbindung, weil wir durch sie etwas entdeckt haben. Das ist der Grund, warum wir diesen Büchern einen besonderen Platz in unserem Leben einräumen. Die Differenzierung des Qualitätsbegriffs durch Robert M. Pirsig zum Beispiel und wie wunderbar es ihm gelingt, große Probleme durch das Lösen von kleinen Aufgaben aus der Welt zu schaffen, die Erweiterung der Phantasie und der liebenden Sprache durch John Donne - diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Diskutiere!

Diskutieren hat nach Draper eine völlig andere Qualität. Das Diskutieren erfordert schnelles Denken, auf unerwartete Fragen und Einwände flink und behende zu reagieren. Beim Diskutieren gefordert sind Flexibilität, Reaktionsschnelligkeit und die Fähigkeit, sich an die Sitiuation und an Menschen anpassen können. Draper führt Belege an, das sich mit der Förderung der Diskussion die Noten von Schülern verbessert hätte. Der russische Psychologe Lew Semjonowitsch Wygotski (17.11.1896 - 1934) sagt:

Lew Semjonowitsch Wygotski

Die Neuorganisation natürlicher psychischer Funktionen zu höheren psychischen Funktionen mithilfe von Zeichen geschieht in einem kulturellen Kontext, nämlich der Kommunikation mit anderen Menschen.

Quelle: Lew Semjonowitsch Wygotski (1896 - 1934)

Verhält es sich nicht so, dass jede dünne argumentative Pappwand schnell zusammenfällt, wenn eins sich einer offenen Diskussion stellt. Redekunst bedeutet nicht nur das sprachliche Messer scharf zu schwingen, sondern auch wirklich über einen abklopfbaren, reflektierten Oberarmmuskel und gehaltvollen Körper zu verfügen, der dazu in der Lage ist. Sind wir mit offenen Ohren und Augen zu dieser Diskussion bereit, wirkt sich das Reden, das Gespräch, die Diskussion auf einen neuen Prozess in uns aus. Aus dem äußeren Prozess - der Diskussion - entsteht in uns ein neuer innerer Prozess.

Schreibe!

Ich habe immer schon gerne geschrieben. Mit meiner Handschrift wurde es nie etwas, nach der Grundschule habe ich die Kurve nicht richtig genommen, eine schöne Handschrift zu bekommen, die sich auch schnell schreiben lässt. Schnell kam ich darauf, dass ich auf Tasten schneller schreiben kann. So schnell, dass sich bestimmte Assoziationen aus dem Schreiben entwickelten und sie direkt niedergeschrieben wurden, fast wie assoziative surrealistische Malerei.

Aber um diese Art zu schreiben geht es hier nicht. Es geht um genaues, fertiges Schreiben. Dies fiel mir immer schwer und mein Diplom hätte ich dabei fast vermasselt. Mein Co-Prüfer konnte, wollte mir nicht helfen, weil er meine Probleme nicht verstand. Wissenschaftliche Schreibe, wissenschaftliches, begrenzendes und analytisches Arbeiten - es fand für das Designstudium und für mich nicht statt, oder nicht so statt, wie ich es brauchte. Meine Probleme bestanden in der Summe hauptsächlich aus Beschränkung und Ordnung. Meine Neigung, jede Information bis zu ihrem Anfang zurückzuverfolgen, erwies sich in der Diplomphase nicht als besonders hilfreich.

Aus einer Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten

Versuchen Sie, große Gedankensprünge zu vermeiden und einen erkennbaren, konsistenten Gedankengang durch Ihre Ausführungen zu ziehen, der die einzelnen Kapitel sinnvoll verbindet.

Quelle: Dr. Eva Maria Noack, Barbara Heinrich, Leitfaden zum Konzipieren und Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten.

Versuchen Sie, große Gedankensprünge zu vermeiden. Ich? Ha! Ebenso hatte ich schon zu Studienzeiten die Neigung, mich von Nebenschauplätzen ablenken zu lassen, daneben waren mir Begriffe wie Taxonomie unbekannt und die Systematik noch nicht zugänglich. Anders als in der Belletristik (von frz. Belles Lettres) kommt es in der wissenschaftlichen Schreiberei ganz besonders auf Genauigkeit und Präzision an. War Bacon Wissenschaftler? Könnte Bacon Wissenschaftler gewesen sein. Der Wissenschaftler Bacon. Der von vielen als Wissenschaftler angesehene englische Lordkanzler Bacon. Bacon war nie Wissenschaftler. Gleiche Worte, verschiedene Begriffe von Bacon als Mensch. Anleitungen, wie die oben stehende, zum korrekten Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten gibt es viele, aber wenige zum Thema: Wie schreibt eins genau?

Vielleicht ein Thema für zukünftige Recherchen?

Generalstaatsanwalt und Lordkanzler von England

Francis Bacon

Der 1. Viscount St. Albans (und der letzte Träger dieses Titels), Baron Verulam Francis Bacon wurde am 22. Januar 1561 bei York House in London als Sohn von Anne Cooke Bacon und dem englischen Siegelbewahrer Sir Nicolas Bacon geboren und starb am 9. April 1626 in Highgate bei London. Francis Bacon war ein englischer Philosoph, Jurist, Staatsmann und gilt als Wegbereiter des Empirismus. Mit Empirismus bezeichnet eins wissenschaftstheoretische Ansätze, denen zufolge Wissen nur auf wahrer Erkenntniss beruhen sollten, die zuerst oder ausschließlich durch Sinneserfahrungen erfolgt.

Bacons Mutter war außerordentlich gebildet, sie war perfekt im Lateinischen und Griechischen, sowie in den neueren Sprachen Französisch und Italienisch. Da Francis Bacon als Kind oft kränkelte, wurde er bis zum Alter von 13 Jahren zu Hause unterrichtet. Im Alter von 40 Jahren nahm er die Arbeit für die Königin auf, diente Jakob I. später als Generalstaatsanwalt und 1618 als Lordkanzler von England, wurde 1621 zum 1. Viscount St. Albans erhoben. Schließlich ging seine Karriere für die englische Krone zu Ende und er musste unter dem Vorwurf der Korruption zurücktreten.

Seine wertvollere Arbeit war philosophischer Natur. Bacon griff aristotelische Ideen auf und plädierte für einen empirischen, induktiven Ansatz, die so genannte wissenschaftliche Methode, die die Grundlage der modernen wissenschaftlichen Forschung bildet. Bis zu seinem Lebensende 1626 verfasste er eine große Zahl wissenschaftlicher Essays, unter anderem zur Methodenlehre der Wissenschaften. Bis heute Geltung haben seine 58 Aufsätze und Essays, die unter dem Titel The Essayes or Counsels, Civill and Morall bis heute käuflich zu erwerben sind.

Bacon setzte auf eingehende Naturbeobachtung und Experimente, um die Natur und die Gesetzmäßigkeiten besser zu verstehen. Im Gegensatz zu den Scholastikern glaubte er, das menschliches Wissen immer zunimmt und weiter anwächst.

Aus einem seiner oben genannten Aufsätze und Essays, nämlich aus dem Essay Of Studies, stammt auch das zu Anfang angeführte Zitat, das in einen interessanten Kontext eingebettet ist:

Francis Bacon

Some books also may be read by deputy, and extracts made of them by others; but that would be only in the less important arguments and the meaner sort of books; else distilled books are, like common distilled waters, flashy things. Reading maketh a full man; conference a ready man; and writing an exact man; and, therefore, if man write little, he had need have a great memory; if he confer little, he had need have a present wit; and if he read little, he had need have much cunning, to seem to know that he doth not. Histories make men wise; poets, witty; the mathematics, subtile; natural philosophy, deep; moral, grave; logic and rhetoric, able to contend: Abeunt studia in mores; nay, there is no stand or impediment in the wit, but may be wrought out by fit studies.

Quelle: Bacon, Francis: The Essayes or Counsels, Civill and Morall, 1626

Nach über 30 Jahren entdecke ich, das dieses schöne Zitat in einem erweiterten Kontext steht, der es noch einmal und vielleicht besser erklärt.

Und so lautet dieser Kontext: Ein Mensch, der wenig schreibt, muss ein gutes Gedächtnis haben. Wenn dieser Mensch wenig konferiert beziehungsweise diskutiert, dann muss er einen präsenten Witz haben. Und wenn dieser Mensch wenig liest, dann muss er ganz schön gerissen sein, um es nicht zu tun. Was für ein Mensch im besten Sinne des Franzosen Pierre Bayard Bacon doch war: Du musst nicht alles gelesen haben, Du musst nur verdammt gerissen sein, damit es keiner merkt. Und eins kommt zu neuen wunderbaren Zitaten, die eins tatsächlich selbst belegen kann:

Francis Bacon

Geschichten machen den Menschen weise; Dichter, geistreich; die Mathematik, subtil; Naturphilosophie, tiefgründig; Moral, schwerwiegend; Logik und Rhetorik, streitbar .

Quelle: Francis Bacon: Of studies in Essays (essay 50 of 58), 1625

Ich freue mich sehr, dass ich diesem, mich schon so lange begleitenden Zitat auf die Spur gekommen bin und nun auch besser begreife, was Bacon damit ausdrücken wollte: Wenn Du ein vollkommener Mensch sein willst, werden möchtest, dann übe Dich im Lesen, im Diskutieren und im Schreiben. Und dies kam mir schon vor diesem Essay aus einem anderen Grund bekannt vor.

François Rabelais (anonymous portrait from the 17th century)
François Rabelais (anonymous portrait from the 17th century) / Link : https://de.wikipedia.org/wiki/Fran%C3%A7ois_Rabelais
François Rabelais

Das Trivium

Die Recherche zu einem anderem Thema, zum Begriff der Rabelais'schen Saftigkeit als Metapher im Roman Schau heimwärts, Engel des US-amerikanischen Autors Thomas Wolfe führte mich zum französischen Mönch, Arzt und Buchautor François Rabelais (1483/1494 - 1553). Dieser Schelm, Meister des derben Witzes, des Phantastischen und Grotesken verbrachte seine Kindheit ganz im Rahmen des gehobenen Bürgertums seiner Zeit. Unter anderem wurde er in der Tradition der mittelalterlichen Lehre des Triviums und des Quadriviums ausgebildet. Das Trivium, der sogenannte Dreiweg, fasst seit dem 9. Jahrhundert n. Chr. die sprachbezogenen Lehren zusammen, als da sind:

  • Grammatik: formal richtig reden
  • Dialektik: inhaltlich richtig reden
  • Rhetorik: richtig verständlich reden

Das Trivium bildete mit den sogenannten freien mathematischen Fächern des Quadriviums an den hochmittelalterlichen Universitäten das Grundstudium.

In der Grammatik geht es um die formal richtige Sprechkunst, in der Dialektik geht es um das inhaltlich korrekte Reden, als Unterart der Logik, Isiddor nennt es die Lehre, wie Wahres von Falschem erkannt werden kann und in der Rhetorik um den verständlichen sprachlichen Ausdruck, Isidor von Sevilla nennt es die Wissenschaft vom wirkungsvollen Reden in öffentlichen Angelegenheiten.

Sister Miriam Joseph Rauh

Grammatik ist die Kunst, Symbole zu erfinden und sie zu kombinieren, um Gedanken auszudrücken; Logik ist die Kunst des Denkens; und Rhetorik ist die Kunst, Gedanken von einem Verstand zum anderen zu vermitteln, die Anpassung der Sprache an die Umstände.

Quelle: Sister Miriam Joseph Rauh, C.S.C., PhD (1898–1982)

Ich persönlich möchte hier gerne einen Zusammenhang zwischen der Dreiteiligkeit des mittelalterlichen Trivium und der Dreiteiligkeit des Zitates von Francis Bacon sehen. Ob es diesen Kontext gibt, kann ich nicht belegen, es ist auch nicht bekannt, ob Bacon dem Trivium in seiner Ausbildung zu Hause oder später am Trinity College in Cambridge begegnete. Vielleicht stehen das Zitat und das Trivium in der Tradition des selben Gleichklangs, als Mensch der Erkenntnis zu folgen, dass nur Lesen, Reden und Schreiben den vollendeten, den ganzen, den fertigen und exakten Menschen ausmachen.

Trivia:

Das Wort trivial stammt vom Begriff Trivium ab. Die Studien des Triviums wurden im Vergleich zu den höheren Studiengängen als trivial erachtet.

 

tl, dr;

Das Zitat Lesen macht den ganzen Mann, das Gespräch den fertigen Mann und Schreiben den genauen Mann geht auf den englischen Lordkanzler und Philosophen Francis Bacon zurück. Es geht um eine ganzheitliche wissenschaftliche Methodik, die unter Umständen bis zu den Griechen zurückreicht.

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