Jenny Lind und Genin, the Hatter
Der große Schwindel rund um die erste Jenny Lind Ticket-Auktion in New York 1850
Wie ein Hutmacher vom Broadway sich mit der Hilfe von Phineas Taylor Barnum unsterblich machte und somit das geschickteste Marketing des Jahrzehntes betrieb.
Dies ist die Geschichte von einem, der sich die Berühmtheit Jenny Linds wie kaum ein anderer zu Nutze machte. Ich möchte Euch von John Nicholas Genin erzählen, den in der Mitte des 19. Jahrhunderts in New York eigentlich alle nur Genin, the Hatter nannten. Den Hype um Jenny Lind perfekt nutzend, ersteigerte der Hutmacher das erste Ticket für ein Jenny Lind Konzert in Amerika, und das zu einem damals exorbitanten Preis.
Ob alles wahr ist? Wie schrieb es der Ordensbruder Giordano Bruno so treffend: "Se non è vero, è ben trovato". Wenn es nicht wahr ist, so ist es wenigstens gut erfunden.
Jenny Lind Mania schon vor der Ankunft der schwedischen Nachtigall
Eine aufgeheizte und wilde Stimmung
Schon vor Jenny Linds Ankunft in New York am 1. September 1850, hatte Genins Nachbar, der spätere Zirkus-Direktor und König des Humbug, Phineas Taylor Barnum alle mit der baldigen Ankunft Jenny Linds in Amerika völlig verrückt gemacht. In Ermangelung von Tonaufnahmen, der Tatsache, dass der erste Versuch ein Kabel zwischen Europa und Amerika zu verlegen erst 1857 stattfinden würde und niemand in den USA Jenny Lind eigentlich kannte, konnte Barnum die schwedische Sängerin medial optimal inszenieren. Und sein Marketing traf auf eine zutiefst fromme, von sich selbst über die Maßen eingenommene, stolze Bevölkerung. Der Osten Amerikas war im Aufschwung begriffen, das Land industrialisierte sich. Viele Plakate kündigten Jenny Linds Ankunft an, die Zeitungen waren eigentlich täglich angefüllt mit kleinen Meldungen und Nachrichten über ihre letzten Konzerte in Europa, ihre Abfahrt von Liverpool. Eigentlich kannte sie niemand, aber die Inszenierung als größte Sängerin Europas, wenn nicht gar der Welt, die zudem ein großes Herz und ein volles Portemonnaie für wohltätige Zwecke hatte, bildeten die ideale Grundlage für die sich ankündigende Lind Mania, die den Hype um heutige Popstars um ein weites übertraf.
So schrieb schon am siebten August, Wochen vor Jenny Linds Ankunft, die Port Tobacco Times,
Wenn Jenny Lind hier ankommt, wird sie einen Großteil der Frühjahrs- und Sommerernte an weiblichen Babys vorfinden, die ihren Namen tragen, und es bestehen gute Aussichten, dass sich die Zahl während ihrer Pilgerreise durch das Land der Pilger noch um unzählige weitere erhöht.
Port Tobacco Times, and Charles County Advertiser, 7. August 1850
Weiterhin beklagt sich der Autor, dass es bereits jetzt Jenny Lind Hüte, Schuhe, Schaufeln, Hauben und Kämme gäbe. Es sollte noch schlimmer werden und kommen. Denn nach den Konzerten setzte die eigennützliche Vermarktung ihres Namens so richtig ein. (Selbst Jenny Lind Käse des Kaufhauses Benedict in Petersburg gab es und ihm wurde eine besonders gute Wirkung auf die Stimme nachgesagt. Quelle: The North-Carolinian, 28. September 1850) Zeitungen fühlten sich selbst zu Gedichten inspiriert, wie dieses der New York Post, was etwas später die Sunbury American aus Pennsylvania am Tag vor Jenny Linds Ankunft veröffentlichte:
Auf den Flügeln eines jeden Wind's
kommt der breite Ruhm von Jenny Lind -
Der Dampfer "Atlantik", beliebt bei seiner Art,
trägt kostbare Fracht, die von Jenny Lind apart.
Die Meerjungfrauen jubeln, mit langem Schwanz und Flossen,
Und wie sie die Töne von Jenny Lind genossen!
Neptun seine Korallenschale in den Händen wind' ,
um zu begrüßen die schöne Jenny Lind.
Der mächtige Walfänger neigt zur Sportlichkeit,
spuckt seinen Strahl für Jenny Lind besonders weit.
Während die Fische des Meeres springen,
um zu hören ihre Musik erklingen!
Sunbury American, 31. August 1850, Übersetzung: Thomas Schürmann
Mit nicht weniger als der Ankunft General La Fayettes verglich die Shepherdstown Register die Ankunft Jenny Linds in Amerika (Quelle: Shepherdstown Register vom 27. August 1850), sogar eine eigene Halle wurde für ihre Auftritte errichtet, zumindest schreibt The Daily Crescent vom 01. August 1850 darüber. Aber auch Berichte von ihren letzten Konzerten in Liverpool trugen zu ihrem Ansehen und zur Lind Mania maßgeblich bei. So schrieb der New York Herald am 28. August 1850: "Bei einem Konzert, das Jenny Lind am Freitag in Liverpool gab, war das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt, und die Karten wurden zu einem hohen Preis verkauft." Heute würden wir sagen, Jenny Lind wurde regelrecht gehyped, und ja, das trifft wohl zu. Dem normalen Zeitungsleser wurde es zur Gewohnheit zwischen seinen Nachrichten Anzeigen für Jenny Lind Zöpfe (Port Tobacco Times, 7. August 1850), Jenny Lind Noten und Liedertexte (Daily Richmond Times 17. August 1850) oder zum Beispiel für 15.000 Jenny Lind Zigarren (The North-Carolina Standard, 14. August 1850) vorzufinden. Womöglich konnte man ihr im Alltag, bestimmt aber bei der Zeitungsleltüre nicht mehr entkommen.
Dies war die von Barnum angeheizte Stimmung, auf die Jenny Lind bei ihrer Ankunft traf. Über 30.000, vielleicht sogar 40.000 Menschen sollen am Kai auf die Ankunft des Schiffes Atlantik, mit der schwedischen Nachtigall an Bord, gewartet haben. Selbst auf den umliegenden Dächern und in allen auf den Hudson ausgerichteten Fenstern standen und saßen Schaulustige, so schreibt es Charles C. Rosenberg in seinem Buch Jenny Lind in Amerika. Zwar nennt die Tarboro' Press vom 28. September 1850 es ein Gerücht, dass Jenny Linds Kutscher die Peitsche nicht nur für die Pferde, sondern auch für die Menge einsetzte, aber es dürfte, und das schreiben auch andere Zeitungen zur damaligen Zeit, nicht leicht gewesen sein, vom Hudson-Kai an der Canal Street zum Irving House in der Chambers Street, Ecke Broadway zu gelangen.
Von den Fackelzügen der Feuerwehrleute, vom Live-Konzert vor ihrem Hotelzimmer wird ein andermal zu erzählen sein. Die Lind Mania aber, die war auf ihrem Höhepunkt.
Die Auktion
Barnums geniale Idee
Castle Garden
1811 zunächst als der Insel Manhattan vorgelagerte Artilleriestellung errichtet. Die vorgelagerte Festung war mit einem Damm mit dem Battery Park an der Südspitze Manhattans verbunden. 1824 wurde die Festung zu einem Theater umfunktioniert, dem Castle Garden. Später wurden die Sitzflächenüberdacht und Jenny Lind hatte am Mittwoch, dem 11. September 1850 dort ihren ersten Auftritt. Mit der Zeit als Theater war es schon 1855 vorbei und bis 1890 wurde es vom Staat New York als Einwanderungsstation verwendet. Von 1896 bis 1941 diente dann das ehemalige Theater noch als Schauaquarium. Danach wurde es in seinen Festungszustand wieder zurückgebaut. Im Gebäude können heute die Tickets für die Fahrt zur Freiheitsstatue gekauft werden und nach Ellis Island.
Mit nichts lässt sich wohl eine größere Aufregung erzielen, als mit einem Mangel. Stellt Euch vor, Ihr dürftet mitbieten für den besten Platz vor der Bühne bei einem Lady Gaga Konzert, einem der seltenen Auftritte von Elton John oder einem anderen Künstler. Jetzt stellt Euch vor, am nächsten Tag berichtet die Presse über den irrsinnigen sechsstelligen Betrag, den Ihr für diese freie Platzwahl und das erste Ticket bezahlt habt. Ihr wäret in aller Munde.
P. T. Barnum hatte diese irrwitzige Idee und im Nachhinein muss man schreiben, eine bessere Werbeidee hätte ihm nicht einfallen können.
Und dabei überließ er nichts dem Zufall, zumindest wenn man dem Artikel des Essex County Herald vom 11. November 1887 glauben darf. Dieser zitierte aus einem Artikel des Cosmopolitan Magazine. Dort beschreibt Barnum, wie er gemeinsam mit dem Hutmacher Genin und einem Arzt, den er kannte, den Auktionsdeal einfädelt hat.
Mir war klar, welche Auswirkungen diese Versteigerung von Jenny-Lind-Karten auf die bereits bestehende Aufregung der Öffentlichkeit haben würde, und dass die Euphorie umso mehr zunehmen würde, je höher die erzielten Preise wären. Deshalb ging ich drei Tage vor der Versteigerung der Konzertkarten zu John N. Genin, einem bekannten Hutmacher, und teilte ihm mit, dass ich ihm einen geheimen Geschäftsvorschlag zu unterbreiten hätte, der ihm, wie ich glaubte, bei geschickter Handhabung Tausende von Dollar als Werbung einbringen würde.
Essex County Herald vom 11. November 1887
Und nach ein paar weiteren Erklärungen schlug Genin, der selbst ein guter Verkäufer war, ein und sagte zu Barnum: "Barnum, Sie haben mein Schicksal in der Hand. Ich werde das erste Jenny-Lind-Ticket kaufen, aber ich werde es nicht einmal meiner Frau gegenüber erwähnen, bis ich es mir gesichert habe." (Quelle: ebd.)
Als Barnum später über das Gespräch nachdachte, so schildert er es zumindest in diesem Bericht, fiel ihm ein, dass der Plan nur aufgehen würde, wenn die Gebote hoch genug wären. Also suchte er sich weitere Helfer, damit der Deal zu aller Zufriedenheit ausginge. Einen fand er nach eigenen Aussagen in Dr. Brandreth, der selbst ein begnadeter Selbstvermarkter in Sachen Tabletten war. Dass dieser mitmachte, spricht nicht unbedingt für die Qualität der verkauften Pillen.
Und unter diesen Vorzeichen fand vier Tage vor dem ersten Konzert Jenny Linds in Amerika, am Samstag, den 7. September 1850, die erste Auktion für den Verkauf von Konzerttickets statt. Das Konzert sollte im Castle Garden stattfinden, was damals noch als Theater in einer ehemalige Festungsinsel vor der Küste Manhattans lag und mit Manhattan nur über eine Brücke verbunden war. Im Publikum saßen Dr. Brandreth und Genin, the Hatter, die beide nichts voneinander wussten.
Veranstaltet wurde die Versteigerung vom Auktionshaus Henry H. Leeds, New York und Mr. Leeds höchstpersönlich leitete die Auktion. Die Versteigerung selbst ebenfalls im Castle Garden statt. Reste des einstmaligen Theaters existieren noch heute und sind als Castle Clinton im Battery Park, New York bekannt.
Über den Ablauf schrieb der Freemon weekly Freeman am 28. September folgendes:
Trotz des strömenden Regens an diesem Morgen strömten zahlreiche Menschen zu früher Stunde den Broadway hinunter, um an der Kartenversteigerung für das erste Konzert von Jenny Lind teilzunehmen.
Die Gebühr von einem Schilling für den Eintritt in den Garten, ein Irrtum, der im Nachhinein erklärt wurde, führte zu einigen merkwürdigen Überfüllungen; und zusätzlich zu dem Regen, der in Sturzbächen herunterkam, die ausreichten, um jedermanns Eifer zur Stunde des Beginns der Aufführungen zu dämpfen, schreckte er zweifellos eine Anzahl von Menschen ab, die sich mit Eifer in den Geist der Szene gestürzt hätten.
Es waren jedoch mindestens 3.000 Personen anwesend, die den gesamten Garten füllten und noch eine beträchtliche Anzahl auf die Balkone brachte.
Der Auktionator, Mr. Leeds, erschien pünktlich zur festgesetzten Zeit, aber sein Publikum war gezwungen, in unruhiger Erwartung auf die Ankunft der Platzübersicht des Hauses zu warten. Da diese jedoch in der Druckerei aufgeschoben worden waren, erschienen sie nicht, und die Versteigerung wurde ohne sie begonnen. - Diese Verzögerung führte zwangsläufig zu einer großen Verwirrung bei den Verkäufen.
Herr Leeds bestieg nun sein Podium und gab aus dem Stegreif eine Erklärung zu den Regeln und Vorschriften des Tages ab.
Alle verkauften Eintrittskarten müssen vor 12 Uhr am Montag abgerufen werden. Alle Karten, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgerufen wurden, werden an den ersten Interessenten vergeben.
Es wurde eine Auswahl an Eintrittskarten verkauft, mit dem Privileg, 1 bis 10 zu kaufen. Ein höheres Privileg als 10 wurde nicht gewährt. Nun begann der spannende Kampf um die erste Wahl.
Das erste Gebot lag bei 20 Dollar. Von diesem Ausgangspunkt aus wurden die Rufe lauter und energischer: "Fünfundzwanzig" - "fünfunddreißig" - "vierzig" - "fünfundsiebzig" - "achtzig" ("Gebt mir die Hundert", ruft Mr. Leeds.) "Neunzig" - "hundert" (Auktionator: "Ich habe es!") "Einhundertfünf" (ein sehr niedriger Preis! Mr. Leeds.) "Einhundertzehn", "fünfundzwanzig", "dreißig", "vierzig", "hundertfünfzig", "einhundertfünfundsiebzig", "zweihundert" (lauter Beifall), "zweihundertfünfundzwanzig" (225 Dollar); hier wurde endlich Halt gemacht, und neugierige Blicke wurden umhergeworfen, um den glücklichen Kandidaten zu entdecken. Genin' Hatter!
Die Ehre des ersten Kaufs gebührt also Mr. John N. Genin, dem bekannten Hutmacher von Nr. 214 Broadway. Der Wettbewerb war sehr lebhaft, und es gab viele Kandidaten für diese Ehre. Die Bekanntgabe des Erfolgs von Herrn Genin wurde mit einem gewaltigen Beifallssturm begrüßt.
Fremont weekly Freeman vom 28. September 1850
Ein paar Wochen später schrieb der Lewisburg Chronicle über dieses Ereignis: "Eine der Eintrittskarten für das erste Konzert von Jenny Lind wurde für 225 Dollar versteigert! Wahrlich, die verrückten Narren sterben niemals aus." (Quelle: Lewisburg Chronicle vom 25. September 1850). Bei dieser ersten Auktion wurden 1.429 Tickets zum Gesamtpreis von 9.119,25 Dollar verkauft, was einem Durchschnittspreis von 6.38 Dollar entspricht. Es wurde, so schreibt die Port Tobacco Times vom 11. September 1850, erwartet, dass insgesamt Tickets für dieses erste Konzert im Wert von 30.000 Dollar verkauft werden.
Und was meinte Jenny Lind dazu, die von dem ganzen Schwindel nichts wusste:
Ich wurde mit einem schrecklichen Enthuisiasmus empfangen. In New-York habe ich schon sechs Konzerte gegeben; ein Saal, der 11000 Menschen faßt, war jedesmal übervoll, und wir können wol noch 40 bis 50 Concerte allein noch in New-York geben.
Hier geht alles in großem Maßstabe vor sich. Das erste Billet, das vorgestern hier in der Stadt verkauft wurde (zu dem ersten Konzert, das heute stattfinden soll), erzielte einen Preis von - - - - 625 Dollars! Die Concertbillets werden hier nämlich verauctioniert. Es ist schrecklich, was für Massen von Geld die Leute hier zu besitzen pflegen.
Quelle: H.S. Holland und W.S. Rockstro: Jenny Lind, Ihre Laufbahn als Künstlerin. 1820 bis 1851. S. 371
Mit der Preisangabe irrte Jenny Lind meines Wissens nach. Es waren in der ersten Auktion 225 Dollar.
An Illustrated History of the Hat:
From the Earliest Ages to the Present Time
"Eine illustrierte Geschichte des Hutes, von den frühesten Zeiten bis heute", so nannte John Nicholas Genin seine kleine illustrierte Geschichte des Hutes. 54 Seiten hat das schmale Heftchen und einige gezeichnete Illustrationen sind enthalten. Am Ende führt Genin, the Hatter seine Preise auf, das waren damals der Preis für den besten Seidenhut (1845), der Preis für die besten Caps und der Preis für die besten Seiden Caps und Kinder Hüte.
Wie schreibt es Genin werbewirksam am Ende seines Heftchens: "Aber die Zeit der Patente für die Herstellung von Hüten ist vorbei. Das einzige Patent, auf das ein Hersteller heute Anspruch erheben kann, ist das Patent der überlegenen Qualifikation für sein Geschäft, das er direkt von der Natur erhält.".
John Nicholas Genin, der Hutmacher von 214 Broadway, New York
Genin, The Hatter
John Nicholas Genin wurde am 19. Oktober 1819 in Manhattan geboren. Er war also nur ein Jahr älter als Jenny Lind und zum Zeitpunkt ihrer Ankunft war er fast 31 Jahre alt. Zeit seines Lebens war er geschickt im Eigenmarketing. Schon mit 24 Jahren eröffnete er sein erstes Hutgeschäft am Broadway, zunächst in Nummer 90. "Die dritte Tür von Wall Street", wie die Anzeige im New York Herald pfiffig vermerkt. (Quelle: The New York herald, 14. September 1843)
1847 erweiterte er sein Geschäft und zog in die Hausnummer 214 am Broadway, direkt gegenüber der Kapelle St. Pauls, die das einzige Gebäude am Broadway sein dürfte, das aus dieser Zeit noch existiert. Die Anzeige im Herald ist lesenswert und wie ich finde außerordentlich informativ. (Quelle: The New York Herald, 29. Mai 1843) Anzeigen schaltete er im New York Herald regelmässig, wenn nicht sogar täglich. Aber auch in Connecticut schaltete er Anzeigen für sein Geschäft in New York und warb dort mit den drei essentiellen Elegance, Excellence und Economy um seine Kundschaft. Ein Biberhaarhut kostete 4 Dollar 50, bei einem zweiten sparte man einen Dollar. Und in dieser Anzeige wirbt er zum ersten Mal mit seinem neuen Buch, der illustrierten Geschichte des Hutes. (Quelle: Litchfield Enquirer, 1. Juni 1848) 1. Juni 1848, das ist gerade einmal zwei Wochen nach der Eröffnung des ersten gesamtdeutschen Parlamentes in der Frankfurter Paulskirche. (Anmerk. Zur zeitlichen Einordnung) Genin verkaufte sein Buch in seinem Geschäft am Broadway.
Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Verkehrsaufkommen am Broadway beträchtlich und das Überqueren der Straße, zwischen all den von Pferden gezogenen Gefährten, lebensgefährlich. Genin, the Hatter ließ eine Brücke über den Broadway errichten, damit die Damen und Herren, die seinen Hutladen besuchen wollten, sicher über die Straße kamen. Natürlich war die kleine Brücke auch ein Erfolg, weil man von ihr erstmalig den Broadway von der Mitte der Straße aus überschauen konnte.
In den Tagen nach der Auktion schrieben viele Zeitungen, kaum jemand hätte etwas Dümmeres tun können, als für 225 Dollar ein Konzertticket zu kaufen. Sie nannten ihn "a Mad Hatter" (Quelle: The Cordova daily times, 1. September 1920). Den ähnlich lautenden Titulierungen widersprach schon am 28. September 1850 der Fremont Weekly Freeman energisch:
Wahrscheinlich hat Genin nie etwas Klügeres getan als dies. Es wird ihm eine Berühmtheit verschaffen, die er auf keine andere Weise hätte erwerben können. für das Hundertfache von 225 Dollar. Jede Zeitung in der Union wird von ihm sprechen, und "Genin, the Hatter" wird fast so berühmt werden wie Jenny Lind selbst. Jeder Mann, der einen Hut trägt, wird an Genin denken; und wenn er durch das Land ziehen könnte, würde jeder, der einen Hut will, zu seinem Basar kommen, um sich seine Bieberfilzhüte anzusehen. Kein Mensch wird in den nächsten zwölf Monaten an seinem Laden vorbeigehen, ohne einen Blick auf ihn zu werfen. Die Damen werden, wenn sie seine Hausnummer bemerken, ausrufen: "Hier ist Genin", und die Jungen, wenn sie ihm begegnen, flüstern sich gegenseitig geheimnisvoll zu: Da geht Genin, der Hutmacher.
Fremont Weekly Freeman vom Samstag, 28. September 1850
Und genau so sollte es kommen.
Amerikaweite Berühmtheit durch ein Konzertticket
Hüte, Hüte, Hüte
Sogar die London Times berichtete über die Auktion. Und zwischen Portland (Maine) und Houston (Texas) brummten die Telegrafenleitungen und beinahe jede Zeitung berichtete über diese Auktion und den verrückten Hutmacher aus New York. Der Pacific Commercial Adviser schrieb 1864 in einem Bericht über vergangene und aktuelle Betrügereien (Humbug), das nahezu zwei Millionen Leser Berichte über Genin, the Hatter gelesen haben müssen. (Quelle: The Pacific Commercial Advertiser, 1. Oktober 1864)
Was für eine Reichweite!
Jeder Leser, der gerade einen Hut auf hatte, nahm ihn ab und schaute hinein, ob er nicht vielleicht auch aus dem Hause Genin sein könnte. Ein Redakteur in Iowa berichtete, dass sein Nachbar den Namen Genin in seinem Hut entdeckte, und erzählte es gleich jedem vor dem Postgebäude. Man war sich schnell einig, dass der alte Hut versteigert werden müsse, und so geschah es. Und was geschah? Der alte Hut brachte vierzehn Dollar.
Das bringt der Redewendung, das ist doch ein alter Hut, eine gänzlich neue Bedeutung.
Ein wahrlicher Run auf das Geschäft am Broadway setzte ein. Gerne waren Kunden bereit einen Dollar oder mehr extra zu bezahlen, nur um einen flüchtigen Blick auf Genin selbst werfen zu können. Über die Hüte, so schreibt der Autor des Pacific Commercial Advertiser, gäbe es nichts Schlechtes zu berichten, ganz im Gegenteil, Genin wäre ein wahrer und redlicher Gentleman, aber die Ticketauktion und der Medienrummel in Folge spülten ihm tausende um tausende Dollar in die Taschen.
1904 schrieb die St. Louis Republic, Jenny Lind hätte neben ihr selbst nur zwei Männer reich gemacht. Der eine war Barnum, der spätere Zirkusdirektor, als den man ihn heute kennt, der andere, der nichts mit der Konzertreise oder dem Management zu tun hatte, dieser andere war Genin, the Hatter. Vor dem Konzert sei er ein guter Hutmacher gewesen, aber ein unbekannter. Und selbst von weiteren Konzerten Jenny Linds konnte Genin profitieren, denn bei jedem Konzert erzählte Barnum von dem Umstand, den er selbst geschaffen hatte. Schaut her, Jenny Lind ist eine solche Attraktion, ein New Yorker Hutmacher zahlte 225 Dollar für das erste Ticket. (Quelle: The St. Louis Republic. vom 05. Juni 1904)
Und so wurde die Geschichte von Genin, the Hatter zu einer Legende, die immer und immer wieder erzählt wurde. Noch zu Lebzeiten des Hutmachers führt die Zeitung The Alleghanian die Geschichte um das Jenny Lind Ticket in ihrem mehrspaltigen Artikel "The Art of Money-Getting" auf. (Quelle: The Alleghanian vom 3. März 1864) Aber auch John Nicholas Genin blieb sich treu. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, nutzte er geschickt die Öffentlichkeit. Er setzte sich selbst medienwirksam 1854 für saubere Straßen in New York ein oder ließ besagte Brücke über den Broadway bauen, um seinen Kund*innen die Passage über den gefährlichen Broadway zu erleichtern.
Genin, the Hatter starb am 30. April 1878 in New York. Das ist seine Geschichte.
tl, dr;
Dies ist die Geschichte des Hutmachers, Genin, the Hatter, dem P.T. Barnum zu einem lebenslangen geschäftlichen Erfolg verhalf, in dem er das erste Ticket zum ersten Konzert von Jenny Lind in Amerika ersteigerte.
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